Mordwoche (German Edition)
mittlerweile nicht nur die Liebe zu Autos, sondern auch eine echte Männerfreundschaft. Auf Karl konnte sich Frank verlassen, ihn würde er um Rat bitten, wie er seine Familie finanziell sicher durch die schwierigen Zeiten bringen konnte. Dass ihm das nicht schon früher eingefallen war! Frank wurde durch das Klingeln seines Handys aus seinen Gedanken gerissen. Er nahm ab. „Ach, gut, dass ich dich erreiche, hier ist Eddy. Du, wir wollen nach den Feiertagen zum Skifahren und heute morgen habe ich gemerkt, dass unser Auto nicht mehr richtig warm wird. Kann ich dir den Wagen noch in die Werkstatt bringen?“ Gelegentlich nahm Frank Reparaturen von Freunden an, mit deren Abrechnung er das Finanzamt nicht behelligte. Wenigstens so kam hin und wieder ein kleiner Geldregen auf ihr strapaziertes Konto. „Kein Problem, ich schau mir dein Auto an. Stell es mir einfach auf den Hof, morgen habe ich bis zum Mittag Zeit. Unser traditionelles Weihnachtsessen kann ich allerdings nicht ausfallen lassen. Wir haben die ganze Sippe im Haus und wenn ich da fehle bringt Katrin mich um. Ich kann sie mit ihrer Mutter nicht allein lassen, das würde sie mir nie verzeihen.“ „Super, danke. Hast was gut bei mir.“ „Schon in Ordnung.“
Frank war noch nicht ganz vor die Haustür getreten, da hatte er bereits zwei Schneebälle abbekommen. Marie traf ihn an der Schulter und der schwächere Wurf von Lukas landete am Bauch. „Na wartet, ihr seht gleich aus wie die Schneemänner.“ Frank steckte sein Handy weg und verfolgte die Kinder, die vor Vergnügen laut schrien und wegrannten. Das wilde Spielen im Schnee verscheuchte die Angst vor dem Weihnachtsvorspiel und die schweren Gedanken des Vaters über die Geldsorgen.
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„Oh la la, unser Bambinello Gesú fehlt!“ Stefano saß inmitten von ausgewickelten Krippenfiguren und das Seidenpapier lag unordentlich um ihn herum. Der Weihnachtsbaum war schon lange geschmückt, das hatten die Kinder zusammen mit ihrer Oma, wie in vielen Familien in Italien, bereits am 8. Dezember getan. Ihre nonna war schon ein Segen für die Kinder, nicht nur an Weihnachten! Auch heute Vormittag verbrachten Matteo und Giulia das Warten auf die Festlichkeiten am Abend bei seiner Schwiegermutter, die im gleichen Viertel um die Ecke wohnte. „Francesca, das Jesuskind fehlt!“ Keine Reaktion aus der Küche. Stefanos Frau, eine lebhafte kleine Sizilianerin, hatte das Radio aufgedreht und sang die Weihnachtslieder laut mit.
Der Aufbau der großen Krippe war traditionell seine Aufgabe, den Abbau überließ er dagegen gern seiner Frau. Die vielen Figuren einzuwickeln und bruchsicher zu verstauen, dauerte ihm zu lange. Eigentlich war es dem jungen Familienvater dieses Jahr gar nicht weihnachtlich zumute. Die Finanzkrise hatte ihn vor einem Jahr seinen Job gekostet und seither hatte er sich zwar um Arbeit bemüht, allerdings nur gelegentlich Aushilfstätigkeiten angeboten bekommen. Die Wirtschaft lag am Boden und Sizilien war noch nie der wirtschaftliche Motor Italiens und war davon umso mehr betroffen. Allein das kleine Einkommen Francescas, die in einem Hotel an der Küste als Zimmermädchen arbeitete, hatte die Familie bislang vor dem Ruin bewahrt. Die Rücklagen der Zanollas waren fast komplett für die Zahlung der neu eingeführten Hausbesitzersteuer draufgegangen und wenn Stefano nicht schon zwei Mal nach Deutschland gereist wäre, hätte er längst das Haus und auch das Auto verkaufen müssen. Jetzt war das Geld wieder aufgebraucht, es konnte nur noch ein Wunder helfen. Und ausgerechnet jetzt fehlte das Bambinello Gesú !
Stefano ging in die Küche. Seine Frau stand mit dem Rücken zur Tür und nahm am Waschbecken die Fische aus. Er liebte sie noch immer wie am ersten Tag, seine Francesca. Sie war zwar ein wenig rundlicher geworden und würde in zwanzig Jahren bestimmt eine ebenso fabelhafte Oma abgeben wie es die nonna für seine Kinder war, aber sie war immer noch eine attraktive Frau. In ihre langen braunen Haare zogen sich ganz fein Silbersträhnen ein, aber das nahm sie wie so vieles mit Humor.
Auf dem Küchentisch kühlte die frisch gebackene Panettone aus. Francesca war eine leidenschaftliche Bäckerin und ein gekaufter Weihnachtskuchen kam für sie nicht in Frage. Stefano schlich sich an seine Frau heran und legte ihr die Arme von hinten um die Hüften. „Hallo, meine Schöne, darf ich bitten?“ Francesca hatte ihren Mann nicht gehört und nach einer kleinen Schrecksekunde ließ sie
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