Mordwoche (German Edition)
junge Kollegin durch das Lokal, das sich mittlerweile auch schon deutlich geleert hatte in Richtung Tür. „Danke“, flüsterte sie ihm zu, „der Wirt zieht ja alle Register.“
Georg Haller ärgerte sich über den Venezia -Wirt, so ein alter Schwerenöter! Aber die Küche war ausgezeichnet. Und wenn es das Venezia nicht gäbe, wäre der Hauptkommissar nach dem Auszug seiner Mutter kulinarisch wahrscheinlich vollkommen verwahrlost. Trotzdem blieb nach einem Besuch bei Adriano immer ein komischer Nachgeschmack. Irgendwie hatte Georg Haller das Gefühl, dass der Pizza-Bäcker in krumme Geschäfte verwickelt war. Beweise hatte er keine, aber er sich sicher, dass irgendetwas mit diesem Adriano Felice nicht stimmte. Leider reichte sein Gefühl als Grundlage für eine Ermittlung nicht aus. Georg Haller musste vorsichtig sein. Der schwäbische Italiener hatte viele einflussreiche Freunde in Bärlingen, mit denen nicht zu spaßen war. Adriano war eine Person des öffentlichen Lebens und stand bei allen offiziellen Veranstaltungen auf der Gästeliste. Dort trat er gern mit großer Geste auf und seine Frau stand ihm in dieser Hinsicht in nichts nach. Wohin die Felices kamen, da wuchs kein Gras mehr. Ihren neureichen Wohlstand präsentierten sie mit einer aufdringlichen Geschmacklosigkeit. Autos, Pelze und Schmuck, sie zeigten gern, was sie hatten. Georg Haller würde den Venezia -Besitzer genau beobachten, das schwor er sich heute einmal mehr. Und dann dieser Fremde an der Bar. Das war doch ein Mafioso wie aus dem Bilderbuch! Georg Haller rief sich selbst zur Räson. Eigentlich war er für Hirngespinste überhaupt nicht empfänglich und hielt sich streng an die nüchternen Fakten. Deshalb waren ihm seine Gedanken auch schon fast ein wenig peinlich. Der Hauptkommissar war froh, dass er hinter seinem Schreibtisch vor weiteren Anfeindungen solcher Art sicher sein würde.
Draußen vor der Tür des Restaurants empfing die beiden Kollegen ein kalter Dezember-Wind. Lisa-Marie Töpfer hakte sich bei Georg Haller unter. „War doch ganz nett, mit uns beiden, oder? Sag mal, wann stellst du mich denn jetzt deiner Mutter vor?“ Der Hauptkommissar war noch ganz in Gedanken, dass er nicht merkte, dass seine Kollegin versuchte, ihn erneut aus der Reserve zu locken. „Immer schön langsam. Ein Schritt nach dem anderen. Weißt du, meiner Mutter stelle ich nämlich nur die Frau vor, die mal ihre Schwiegertochter wird.“ Seine Kollegin machte ein gespielt enttäuschtes Gesicht. Und da merkte Georg, dass seine Antwort auf der Skala der Schlagfertigkeit knapp über eingeschlafenen Füßen rangierte. Lisa-Marie war er einfach nicht gewachsen, die hatte immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Das gehörte nicht zu Georg Hallers Stärken. Er fühlte sich auch ein wenig gehemmt, weil er merkte, dass Lisa-Marie ihm immer besser gefiel. Er wollte ihr beweisen, dass er auch Humor hatte und setzte zu einem zweiten Versuch an. „Vor dem Termin bei den Eltern doch immer noch die Sache mit dem Knutschen und dem Fummeln. Oder hat sich seit meiner Jugend an diesem Ablauf was geändert?“ Na also, ging doch. Diese Antwort hatte gesessen. Jetzt war Lisa-Marie Töpfer sprachlos, aber sie hatte noch einen Trumpf im Ärmel. Sie zog ihren völlig überraschten Kollegen zu sich herunter und küsste ihn direkt vor dem Venezia auf den Mund. „So, das hätten wir dann auch erledigt. Jetzt auf zu deiner Mama!“
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„Also, ich freue mich! Endlich werde ich Tante. Herzlichen Glückwunsch, ihr beiden!“ Katrin war aufgestanden und ging zu ihrer Schwester, die immer noch in angespannter Erwartung auf dem Sofa saß, um zu sehen, wie ihre Neuigkeiten aufgenommen wurden. Endlich sagte jemand etwas! Das Schweigen war für Susanne schon fast unerträglich geworden. Außerdem hatte ihr Vater allen einen Riesenschreck eingejagt. Jetzt hatte er durchgeatmet und saß blass und schweigsam in seinem Sessel. Katrin umarmte ihre Schwester und flüsterte ihr ins Ohr „du wirst bestimmt eine tolle Mutter.“ Erleichtert nahm diese die Gratulation ihrer Schwester entgegen.
Alex war ebenfalls aufgestanden, schließlich war es auch ihr Kind, gefühlt jedenfalls. Es konnte zwar nur eine von ihnen beiden das Kind austragen, aber bei der Zeugung hatte Alex eine ebenso wichtige Rolle gespielt und fühlte sich deshalb genauso als Mutter des Kindes wie Susanne. Sie erinnerte sich noch gut an den Abend, als es passierte. Ihre Freunde Kai und Stefan wussten
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