Mordwoche (German Edition)
von ihrem Kinderwunsch und hatten sich bereit erklärt, den Frauen zu helfen. Susanne und sie hatten ein raffiniertes Mehrgänge-Menü gezaubert und das befreundete schwule Pärchen eingeladen. Die Situation war zwar ein wenig seltsam, aber sie hatten viel Spaß an diesem Abend. Nach dem Essen zogen sich beide Paare in die stimmungsvoll beleuchteten Schlafzimmer zurück. Als Alex eine halbe Stunde später im Bad nachsah, konnte sie die beiden kleinen Becher mitnehmen, deren Inhalt in die dafür vorgesehenen Kanülen ziehen und ihrem Schatz ein Kind machen. Sie hatten verabredet, dass Kai und Stefan keine Fragen und Ansprüche stellen würden. Als gute Freunde gehörten sie sowieso fast zur Familie. Falls das Kind später den Wunsch verspüren sollte, seinen leiblichen Vater kennenzulernen, dann wären beide Männer bereit, sich einem Vaterschaftstest zu unterziehen. Die beiden Väter freuten sich mit Susanne und Alex auf den Nachwuchs.
Katrin hatte sich von ihrer Schwester gelöst und wollte jetzt auch Alex gratulieren. Sie war ein wenig unsicher, ob eine Umarmung ebenfalls angebracht war, doch Alex nahm ihr diese Befangenheit. „Ja, die Tante darf die Frau Papa auch drücken.“ „Alex, ich hoffe, du weißt, was du dir da mit meiner Schwester angetan hast. Zur Not kannst du mit Frank eine Selbsthilfegruppe gründen, wir stehen im Telefonbuch.“ Bevor sich die allgemeine Anspannung jedoch in Heiterkeit auflösen konnte, polterte Karl Merz in die Runde: „Ein Kind von zwei Frauen? Und dann noch eine Hochzeit? Prost Mahlzeit, das ist ja eine schöne Bescherung!“ Der Patriarch hatte ganz offensichtlich die Sprache wiedergefunden und hoffte noch, er habe sich verhört. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Auch seine Frau hatte ihre Überraschung noch nicht verwunden: „Wie meinst du das, du bekommst ein Kind?“ „Nicht ich, Mama, wir bekommen ein Kind. Alex und ich.“ Susanne rückte näher an Alex heran und ließ sich die Hand um die Schulter legen. So fühlte sie sich gegen die wenig erfreute Reaktion ihrer Eltern gewappnet. „Ich verstehe gar nichts mehr, Kinder. Alex ist doch eine Frau, oder?“ Elfi Merz musterte die Begleitung ihrer Tochter aufmerksam wie um sich zu vergewissern, dass sie keinem Irrtum aufgesessen war. Alex merkte, dass der Schock des Coming-Out auch bei der Hausherrin tiefer saß, als diese zugegeben hätte. Schwul ging vielleicht grade noch, aber ein Kind passte da einfach nicht ins Bild. „Unser Kind hat eben zwei Mütter. An der Entstehung war allerdings schon ein Mann beteiligt, wenn es das ist, was Sie wissen wollen.“ Elfi wurde rot. Sie war zwar in Sachen Sex noch nie ein Kind von Traurigkeit gewesen, aber was die Brüder und Schwestern vom anderen Ufer miteinander trieben, das wollte sie gar nicht so genau wissen. „Mama, ich möchte jetzt aber eigentlich nicht über die Entstehung unseres Kindes sprechen. Ich finde, das ist unsere Sache.“ Susanne strich über ihren Bauch, dem man sein süßes Geheimnis noch nicht ansah.
Der Großvater in spe hatte sich den Heiligabend anders vorgestellt, als sich über Homo-Ehe und die genauen Umstände der Enkel-Zeugung zu unterhalten. „Mit wem jemand ins Bett steigt ist seine Privatangelegenheit. Da will ich mich auch gar nicht einmischen. Aber es ist nun mal so, dass Kinder Vater und Mutter brauchen. Das war schon immer so und das wird auch immer so bleiben. Das hat die Natur nicht ohne Grund so eingerichtet. Zu einer Familie gehören ein Mann, eine Frau und Kinder!“ „Also wirklich, Papa, wir leben doch nicht mehr in der Steinzeit! Ich denke, die Hauptsache ist doch, dass das Kind geliebt und umsorgt wird. Und das können Susanne und Alex bestimmt genau so gut wie ein Vater und eine Mutter.“ Katrin wollte das Thema auch möglichst schnell beenden. Erstens sollte sich ihr Vater in seinem Zustand möglichst nicht aufregen und zweitens wurde es langsam Zeit für die Bescherung. Marie und Lukas hatten vorhin ganz zögerlich den Kopf zur Tür hereingestreckt, um die Lage zu sondieren, dann aber schnell gemerkt, dass die Frage nach dem Christkind gerade gar nicht gut ankäme. Von Frank konnte Katrin keine Hilfe erwarten, ihr Mann hielt sich immer noch an seinem Sektglas fest und beobachtete das Merz’sche Familientheater wie ein Zuschauer. Im Zweifelsfall würde er wahrscheinlich sowieso Partei für ihren Vater ergreifen. Dann war es Katrin doch lieber, wenn er schwieg.
Frank bewunderte Karl und war ihm dankbar dafür,
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