Mordwoche (German Edition)
„Wer?“ „Sein Name ist Peter, Peter Fuchs und“ – Karl Merz hatte genug gehört. „Macht mit dem Abend, was ihr wollt. Mir reicht es. Ich will jetzt meine Ruhe und heute niemanden mehr sehen.“ Der kranke alte Mann verließ ohne weiteren Gruß die Gesellschaft und zog die Tür geräuschvoll hinter sich zu.
Niemand wagte es, das Gespräch weiterzuführen. Selbst Elfi schwieg und dachte daran, dass sie die leidenschaftliche Affäre mit Peter begann, als die erste Begeisterung über ihre gute Partie mit Karl nachließ. Die Ehe mit dem Autohaus-Sprössling war von Anfang an ein Arrangement zu beiderseitigem Nutzen gewesen. Besser hätte sich Elfi in Bärlingen kaum verheiraten können. Im Hause Merz war immer schon Geld da und die Geschäftsaufgabe von zwei weiteren Konkurrenten festigte die fast alleinige Herrschaft über den Verkauf und die Reparatur von Autos in der schwäbischen Provinzstadt. Der letzte Konkurrent kämpfte zäh um seine Marktanteile und hatte erst seit Karls Erkrankung wieder etwas Oberwasser bekommen.
Susanne konnte es nicht fassen, was sie da eben gehört hatte. Nach vierunddreißig Jahren erfuhr sie, dass sie nicht das gemeinsame Kind ihrer Eltern war, sondern dass ihre Mutter als junge Frau fremdgegangen war. Die Aussicht auf besinnliche Feiertage im Kreise der Familie war in unerreichbare Ferne gerückt. „Warum hast du mir nie etwas davon gesagt, Mama?“ Was aber hätte Elfi Merz ihrer Tochter sagen sollen? Dass sie sich mit ihrem Liebhaber im Sommer heimlich an den Seen der Umgebung getroffen hatte? Dass ihre Romanze wild und leidenschaftlich war? Oder vielleicht, dass die Affäre mit Peter Fuchs nur wenige Wochen dauerte? So lange bis Elfi Merz bemerkte, dass sie schwanger war. Sollte sie ihrer Tochter etwa sagen, dass sie ihrem leiblichen Vater den Laufpass gegeben hat, weil dieser ihr nicht annähernd das Leben hätte bieten können wie ihr Mann Karl? Was würde Susanne wohl dazu sagen, wenn sie wüsste, dass ihrer Mutter der Wohlstand und Luxus, den sie im Hause Merz kennengelernt hatte wichtiger war als die Liebe, die Peter Fuchs für sie empfand und die sie durchaus teilte.
Susanne war tatsächlich ein Kind der Liebe, vielleicht eher noch der Leidenschaft, aber ihre Mutter hatte kühl kalkuliert, welches Leben für sie den maximalen Gewinn brachte. Die Währung, in der die Unternehmer-Gattin rechnete, waren materielle nicht ideelle Besitztümer. „Mama! Du hättest es mir sagen müssen und Papa auch!“ „Ach Schätzchen, es tut mir alles so leid! Was wird denn jetzt aus dem Heiligen Abend?“
Alex war sich sicher, dass sie es jetzt mit der Elfi Merz zu tun hatten, die sich nicht mehr hinter bürgerlichen Konventionen versteckte und deren Leben eine einzige Inszenierung auf der Bühne der Eitelkeiten war. Auch die Töchter schienen ihre Mutter heute von einer Seite kennenzulernen, die ihnen bislang verborgen geblieben war. Ob der Kern, der sich unter der maskenhaften Oberfläche und der zur Pose erstarrten Freundlichkeit verbarg tatsächlich liebenswert war, bezweifelte Alex zunehmend. Die Selbstverleugnung, jahrelang die Maxime ihres Handelns, hatte Elfi Merz emotional verhärten lassen. Als einziges echtes Gefühl war jetzt nur noch die Verachtung für ihren Mann übrig geblieben.
„Ich glaube, wir sollten lieber gehen.“ Katrin war jetzt an Schadensbegrenzung gelegen. Sie dachte an ihre Kinder, die immer noch in ihrem alten Kinderzimmer spielten und auf die Bescherung warteten. „Holst du die Kinder, Frank, dann packe ich die Geschenke zusammen.“ Ihr Mann war froh, dass er aus seiner Rolle des unfreiwilligen Zuschauers erlöst wurde. Er hatte sich die ganze Zeit über wie ein Schaulustiger bei einem Unfall gefühlt. Fasziniert von der Tragödie, die sich vor ihm ausbreitete, war er bis jetzt nicht in der Lage gewesen, die Unfallstelle zu räumen. Frank steckte die Erdnüsse, die in seiner Hand mittlerweile ganz feucht geworden waren in den Mund, um sie aufzuräumen. Er rieb das Salz von den Händen, sodass es auf Elfis Perserteppich rieselte und ging kauend aus dem Zimmer.
„Vielleicht nehmen wir uns heute besser ein Hotelzimmer, was meinst du, Maus?“ Alex wandte sich an Susanne, die mit abwesendem Blick auf dem Sofa saß. „Ich glaube, heute tut uns allen ein bisschen Ruhe ganz gut und morgen sehen wir dann weiter.“ Susanne war dankbar, dass Alex die Initiative ergriff und sie war froh, dass sie heute nicht in ihrem alten
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