Mordwoche (German Edition)
gern ein wenig langsamer angehen ließ. Otto gönnte seiner Frau diese Verlängerung der Mittagspause und ging schon einmal runter. Vor der Tür warteten schon die ersten Kunden.
„So, meine Damen, herein in die gute Stube.“ Otto König half den beiden Frauen, die bereits vor dem Eingang gewartet hatten, formvollendet aus den Mänteln. Meine Frau kommt jeden Augenblick, nehmen Sie doch bitte Platz. Darf ich Ihnen was zum Lesen bringen?“ „Danke, ich werde bestimmt was finden.“ Die jüngere der beiden Frauen war vielleicht Mitte dreißig und nahm gleich die Zeitschriften-Auswahl in Augenschein. Die ältere Kundin packte ihr Strickzeug aus, ganz offensichtlich hatte sie sich eher auf eine Unterhaltung als auf die Lektüre der Illustrierten eingestellt.
Mittlerweile musste es sich in der ganzen Stadt herumgesprochen haben, was heute Morgen vor dem Salon König vorgefallen war. Die Mutter der jungen Frau war am Vormittag beim Friseur gewesen, sozusagen eine Ermittlerin der ersten Stunde, und die hatte nun ihre Tochter geschickt, um zu erfahren, ob es vielleicht schon Neuigkeiten im Fall der ermordeten Elfi Merz gäbe. Beate Göppel gab eigentlich nichts auf den Tratsch beim Friseur. Ihr war es am liebsten, wenn sie ungestört ein wenig in den anspruchsvolleren Frauenmagazinen blättern konnte und beim Haareschneiden möglichst in Ruhe gelassen wurde. Und das ging im Salon König auch. Niemand musste sich hier unterhalten. Wie gesagt, der Kunde war König.
Otto König widmete sich seinem ersten Kunden. Herr Ebert gehörte zu den treuen Stammkunden des Salons. Eigentlich hätte er mit dem Friseurbesuch noch ein wenig warten können, aber heute warf er seine schwäbische Sparsamkeit über Bord. Seine Nachbarin hatte ihm berichtet, dass sie gehört habe, dass die Chefin des Autohauses Merz vor dem Salon König ermordet in ihrem Wagen aufgefunden worden war. Herr Ebert wollte nicht warten, bis Georg Haller am Abend von der Arbeit heimkam und er ihn im Treppenhaus abpassen konnte. In so einem Fall konnte man nicht warten. Da war Zeit Geld! Und so leistete sich Herr Ebert schon heute außerplanmäßig einen neuen Haarschnitt und hoffte, mit dieser Investition an Informationen aus erster Hand zu kommen.
Otto König konnte es langsam nicht mehr hören. Alle Kunden kannten anscheinend nur noch ein Thema und jeder war bereits bestens informiert. Wenn der Friseur alles geglaubt hätte, was ihm an diesem Morgen von seinen Kunden erzählt worden war, dann wäre die Autohaus-Chefin auf den Stufen des Salons erschossen worden und anschließend blutend und mit durchgeschnittener Kehle zu ihrem Auto geschleift worden. Dort habe der Mörder dann die Handtasche der Toten durchwühlt, Geld und Schmuck gestohlen und zum Abschluss noch wüste Beschimpfungen auf das verschneite Auto gekritzelt.
Herr Ebert merkte, dass Otto König auf seine Fragen nur einsilbig antwortete. Er war enttäuscht, denn er hatte sich mehr von dem Besuch erhofft. Aber er hatte noch eine Chance. Dann würde er eben warten, bis der Hauptkommissar heimkäme. Der würde ihm sicher etwas über den Fall sagen können. Das Geld für den Friseur hätte er sich sparen können, dachte sich der Rentner. Sehnsüchtig schielte Herr Ebert zum hinteren Bereich des Friseurgeschäfts. In der Damenabteilung wäre er bestimmt leichter an die Informationen gekommen, die ihn so brennend interessierten. Aber es half nichts, die Herren wurden nun mal vom Chef persönlich bedient und hatten im Damensalon nichts zu suchen. Herr Ebert war sich nicht einmal sicher, ob er als Mann die Damenabteilung überhaupt betreten durfte. Bevor er sich weitere Gedanken über seine Möglichkeiten der Informationsbeschaffung machen konnte, war der Friseur auch schon fertig mit seinen Haaren, schließlich gab es nicht viel zu machen. Es gab also keinen Grund für Herrn Ebert, noch länger hier zu bleiben. Als er an der Kasse stand, betrat bereits der nächste Kunde den Salon, sodass auch eine Plauderei mit dem Chef zwischen Tür und Angel ausfallen musste.
Als Gerda König in den Salon kam, merkte sie gleich, dass etwas anders war als sonst. Sie hätte allerdings nicht sagen können, was es war. Alles sah wie immer aus. Otto stand bereits mit dem ersten Kunden an der Kasse. „Grüß Gott, Herr Ebert. Schön, dass man Sie hier auch mal wieder sieht.“ Der ältere Herr erwiderte den Gruß und ließ sich von Otto König noch die Tür aufhalten. Ihr Mann wandte sich dem nächsten
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