Mordwoche (German Edition)
Kinderzimmer schlafen musste. „Wir können in den Goldenen Hirsch gehen, der ist direkt in der Innenstadt.“ Während Alex von der Diele aus im Hotel anrief, warf Susanne einen letzten Blick auf den Weihnachtsbaum. Die Geschenke waren bereits alle wieder eingepackt. Unter dem Baum blieb nur die Auto-Miniatur zurück. Aber keiner der Anwesenden beachtete den kleinen roten VW-Käfer mit seiner goldenen Schleife. Und Susanne war die Lust auf die Bescherung vergangen.
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In der Mittagspause gab es schnelle Küche im Hause König. Dafür ließ es sich Otto am Wochenende nicht nehmen, seine Frau immer wieder mit neuen und ausgefallenen Gerichten zu überraschen. Er war ein passionierter Koch und er liebte es, im Internet und in seinem großen Fundus an Kochbüchern aus aller Herren Länder nach neuen Rezepten zu suchen. Selbstverständlich ging er dann selbst einkaufen, gern zum Feinkost-Günther, um die notwendigen Zutaten frisch zu erstehen. Gerda freute sich auch deshalb immer aufs Wochenende, weil sie dem Kochen überhaupt nichts abgewinnen konnte. Ihr reichte es schon, wenn sie dafür sorgen musste, dass unter der Woche ein schnelles Gericht auf die Teller kam. Und weil es vom gestrigen Sonntagsmenü keine Reste gab, köchelte heute eine Fleischbrühe mit Maultaschen auf dem Herd. Jetzt hatten Gerda und Otto zum ersten Mal an diesem Tag Zeit, in Ruhe miteinander zu reden.
Gerda König hatte sich eine Küchenschürze umgebunden und lehnte sich an die Arbeitsplatte, Otto hatte sich an den Tisch gesetzt und die Beine auf den Stuhl neben sich gelegt. „Heidanei Otto, heut war’s ganz schön turbulent. Erst die Sache mit der toten Frau Merz, dann die Polizei im Haus und im Laden gab es auch keine ruhige Minute.“ „Das stimmt. Wie geht’s dir denn nach dem ganzen Trubel?“ „Zumindest habe ich keine Angst mehr davor, dass wir beide gleich als Mörder verdächtigt werden. Dafür kommen doch genügend andere in Frage, wenn man der Kundschaft Glauben schenken darf.“ „Haben die Damen mal wieder den Schnabel nicht halten können? Hätte mich auch gewundert.“ Otto König wusste, dass im Damensalon getratscht wurde; seine Frau klagte ihm am Abend des Öfteren ihr Leid. Es wurde eben nicht nur das Haar gewaschen, sondern auch viel dreckige Wäsche.
Otto hatte seiner Frau schon oft gesagt, dass sie sich die boshaften Lästereien einiger ganz bestimmter Kundinnen zu verbitten und den Damen charmant aber unmissverständlich das Hand- beziehungsweise Mundwerk legen sollte, aber das war nicht Gerda Königs Stil. Sie dachte sich, dass auch diese Geschichten raus mussten und so versuchte sie eher wie eine Therapeutin oder Seelsorgerin behutsam zum Kern des eigentlichen Problems vorzudringen. Das war Otto zu gefühlsduselig und er war froh, dass er sich mit seiner Kundschaft über andere Themen unterhalten konnte.
„Klatsch und Tratsch gehört nun mal zum Friseurbesuch dazu. Und ich bin mir sicher, dass es einige Kundinnen gibt, die nur deshalb so regelmäßig kommen, weil sie hier erfahren können, worüber man in Bärlingen gerade spricht. Heute Morgen hatte ich die Frau Felice zum Färben und Schneiden da. Stell dir vor, die lässt kein gutes Haar an der Frau Merz. Und das obwohl die tot ist!“ „Ich dachte, die sind ganz dick miteinander. Ich fand es immer schon übertrieben, wenn die beiden sich mit Küsschen links und Küsschen rechts begrüßt haben. Die sind doch richtig über einander hergefallen zur Begrüßung.“ „Davon verstehst du nichts, Otto. Das macht man so, wenn man zur besseren Gesellschaft gehört.“ Gerda König imitierte das affektierte Gattinnen-Geknutsche und verteilte Luftküsse in der Küche.
„ Schätzle, wann ist die Suppe fertig? Ich hab richtig Hunger.“ Gerda stellte die Suppenschüssel auf den Tisch, gab ihrem Otto einen Kuss auf die Glatze und schöpfte ihm den Teller voll. „Wenn ich dir schon deine Brötchen weggefuttert habe, dann sollst du wenigstens am Mittag satt werden, du armer Mann.“ Otto widmete sich seinem Mittagessen. Für die Friseurin war das Thema Elfi Merz allerdings noch nicht beendet. „Von einer anderen Kundin habe ich gehört, dass die Frau Merz mal was mit dem Pizza-Adriano gehabt haben soll. Kannst du dir das vorstellen?“ Dieser Art von Gesprächen konnte Otto König rein gar nichts abgewinnen, sie hatten für ihn ungefähr das Niveau wie die reißerischen Artikel in den Promi-Blättchen, die sie für ihre Kundschaft abonniert hatten.
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