Mordwoche (German Edition)
begehrt und umworben zu werden wie damals! Elfi konnte sich noch gut an das Glück erinnern, das sie damals empfunden hatte. Die letzten Jahre mit ihrem Mann, der sich mehr und mehr in sich zurückgezogen hatte und den die Eigenheiten seiner Frau zunehmend anstrengten, erschienen ihr quälend lang. Elfi war unglücklich. Sie flüchtete in ihre Welt, die aus Shoppingtouren und Kaffeekränzchen mit den Bärlinger Gattinnen bestand.
Elfi legte die Briefe wieder zurück in den Schrank und strich liebevoll über ihren Pelzmantel, der neben ihren Designer-Kostümen und Maß-Hosenanzügen hing. So einen hatte keine der Bärlinger Schnepfen! Diese Möchtegern-Trendsetterinnen führten doch nur aus, was ihnen die einzige Boutique der Stadt als letzten Schrei der Mode diktierte. Elfi nahm ihren hellen Pelzmantel aus dem Schrank und schlüpfte in das aufwändig gearbeitete Cape. Sie legte die breite Kapuze über den Kopf und stellte sich vor dem Spiegel in Pose. So ein Stück gab es nur einmal, das war jetzt genau das Richtige bei diesen frostigen Temperaturen. Sie besah sich von allen Seiten und hängte ihren Mantel dann wieder zurück in den Schrank. Elfi liebte es, etwas Besonderes zu besitzen. Das hätte ihr Peter niemals bieten können.
Karl dagegen hatte etwas aus dem Autohaus seiner Eltern gemacht. Ohne sie wäre das Autohaus Merz allerdings nicht das, was es heute war. Und sie würde die Geschicke der Firma auch in Zukunft lenken. Elfi hatte genaue Vorstellungen davon, was sie in der Firma nach dem Tod ihres Mannes alles verändern würde. Wenn sie die Entscheidungen alleine zu treffen hätte, dann wäre Schluss mit dieser Weichspüler-Personalpolitik. Ihr Mann war einfach zu gutmütig und ging zu nachsichtig mit den Schlampereien der Mitarbeiter um. Elfi würde in den Laden erst einmal ordentlich Wind reinlassen und der eine oder andere Merzianer würde wohl mit einer Kündigung rechnen müssen. Seit Karl wegen seiner Krankheit die Leitung weitgehend Elfi überlassen hatte, legten die Mitarbeiter ein recht ambivalentes Verhalten an den Tag. Es gab diejenigen, die bereits ahnten, dass mit der Chefin nicht gut Kirschenessen war und die darum keine Möglichkeit ausließen, sich bei Elfi ins rechte Licht zu rücken. Und dann gab es noch die treuen Gefolgsleute Karls, die das Gefühl hatten, dass das Autohaus Merz nicht mehr das Autohaus war, für das es sich lohnte, auch einmal unbequeme Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen. Diese Mitarbeiter fühlten sich schon auf dem Absprung und machten durch ihre Arbeitshaltung deutlich, dass sie für Elfi nicht den gleichen bedingungslosen Einsatz bringen würden wie für ihren Chef. Elfi wusste, dass sie am längeren Hebel saß und dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie keine Rücksicht mehr auf die alte Verbundenheit der Belegschaft zu ihrem Senior-Chef nehmen musste. Ihrem Schwiegersohn, Frank Ohler, konnte Elfi leider nicht kündigen. Er war auch einer von den Kandidaten, die ihr auf die Nerven gingen. Für diesen Duckmäuser war Karls Wort Gesetz. Elfi würde bestimmt eine Lösung einfallen, die ihren Schwiegersohn zwar nicht aus dem Unternehmen ausschloss, die ihn aber so degradierte, dass er über kurz oder lang freiwillig gehen würde.
Sie würde allerdings mit ihren Veränderungen warten, bis Karl nicht mehr eingreifen konnte. Das war sie ihm trotz allem schuldig. Auch wenn Elfi sich im Privaten einen temperamentvolleren Mann gewünscht hätte, der sie auf Händen getragen hätte, statt sie nur gewähren zu lassen, so war sie doch stolz auf das, was sie gemeinsam erreicht hatten. Jeder wusste, dass der Aufstieg des Autohauses ohne die Fähigkeiten des anderen nicht möglich gewesen wäre. Ihre Aufgabenbereiche hatten sie immer strikt getrennt. Und so hatte sich Elfi auch aus den „Geschäften“ herausgehalten, die ihr Mann regelmäßig mit Adriano Felice machte. Diese Geschäfte waren immer ein Erfolg für alle Beteiligten. Nach den Treffen mit Adriano gelang es Karl oft günstig eine Immobilie zu erwerben oder eine größere Marge Autos zu einem guten Preis zu verkaufen. Elfi fragte nicht weiter nach den Details, solange das Ergebnis stimmte, war ihr der Rest egal. Das Geld kam rein, das war die Hauptsache.
Es war spät geworden als Elfi in ihrem Schlafzimmer das Licht löschte. In den Nachbarhäusern waren die Fenster noch hell erleuchtet und der weihnachtliche Glanz schien bis auf die Straße. Die Merz’sche Villa dagegen lag ganz im Dunkeln.
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