Mordwoche (German Edition)
rausgefunden?“ Doch statt seine Fragen zu beantworten, musterte Gerda ihren Mann streng. „Sag mal, Otto, hast du jetzt die ganzen süßen Stückchen gegessen?“ Gerda König wusste, dass ihr Mann immer für eine Nascherei zu haben war, aber dass er jetzt das ganze Kaffeegebäck verdrückt hatte, das für ihre Angestellten bestimmt war, um ihnen die zusätzliche Montags-Schicht zu versüßen, das wollte sie einfach nicht glauben. „Du, mein Kreislauf war einfach im Keller. Der Fremde mit seiner Pistole hat mir so einen Schrecken eingejagt, dass ich mich erst einmal stärken musste. Jetzt geht’s mir aber schon viel besser.“ Was sollte sie da noch sagen? Ihr Otto war schon ein unverbesserliches Schleckermaul und die Sache mit der Pistole hatte ihn offensichtlich ziemlich mitgenommen. Gerda König beschloss, großzügig über diese Kuchen-Orgie hinwegzusehen, schließlich war heute kein Tag wie jeder andere. Sie würde später einfach noch einmal zum Bäcker zu gehen.
„Ja, der Italiener ist weg. Ich habe noch eine Haarprobe von ihm. Vielleicht hilft es der Polizei, wenn wir ausreichend Spuren des Verdächtigen abliefern können.“ „Apropos Polizei. Willst du’s nicht nochmal beim Schorsch probieren? Irgendwann wird der Herr Hauptkommissar hoffentlich auch mal wieder erreichbar sein.“ „Ja, das mache ich gleich. Vorher will ich aber noch schnell im Goldenen Hirsch anrufen.“ „Warum das denn? Was willst du denn vom Fritz?“ „Der Fremde hat sich ein Hotel empfehlen lassen und ich habe ihn zu deinem Bruder geschickt. Vielleicht sollten wir unseren Freund aus dem Süden ein bisschen im Auge behalten.“
Gerda König wählte die Nummer des Hotels und besprach sich kurz mit ihrer Schwägerin, die für die Rezeption zuständig war. Otto König hing gebannt an ihren Lippen und konnte es kaum erwarten, bis seine Frau das Gespräch beendet hatte. „Und?“ „Er ist tatsächlich im Goldenen Hirsch abgestiegen und hat gerade eingecheckt. Stell dir vor, unser Mario Paulini heißt dort Alessandro Ferrano. So stand es zumindest in dem Ausweis, den er der Margot vorgelegt hat.“ „Bestimmt sind beide Namen falsch. Einer, der mit einer Pistole in der Jacke zum Friseur geht, für den ist es bestimmt ein Kinderspiel, sich gefälschte Papiere zu beschaffen. Ich möchte nur wissen, was so einer hier bei uns in Bärlingen sucht.“ „Das kommt mir auch alles sehr verdächtig vor. Ich rufe jetzt nochmal beim Schorsch an und spreche ihm zur Not auch eine Nachricht aufs Band.“
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Endlich war das gesagt, was ihr schon so oft auf der Zunge gelegen hatte. Am liebsten hätte Elfi ihrem Mann ins Gesicht geschrien, dass Susanne nicht seine Tochter war. Nur die Anwesenheit ihrer Kinder hatte sie daran gehindert, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ihr Leben mit Karl war zur Routine erstarrt und bot für die Autohaus-Gattin keinerlei Reiz mehr. Die wenigen gesellschaftlichen Termine, die Karl noch wahrnehmen konnte, reichten nicht aus, um Elfis Verlangen nach Aufmerksamkeit zu befriedigen. Die Krankheit hatte auch ihr Leben radikal verändert. Der Tod war in ihr Haus eingezogen und jeden Monat war eine Ratenzahlung fällig. Plötzlich standen im Bad, auf dem Sofatisch und sogar im Kühlschrank Medikamente. Elfi wusste am Abend nicht, in welcher Verfassung sie ihren Mann am nächsten Tag antreffen würde. Karl klagte nicht und behielt seine Sorgen und Ängste für sich. Für Elfi war es aber im Laufe der Zeit schon zur Zumutung geworden allein wie er dasaß. Für sie bedeutete Krankheit Alter und Alter bedeutete Tod. Gedanken daran wollte sie keinen Platz in ihrem Leben geben, sie wollte nicht permanent daran erinnert werden, dass sie älter wurde.
Als sie Karl kennenlernte, fand sie seine etwas unbeholfene Art ihr gegenüber charmant. Sie fühlte sich geschmeichelt, dass sich der Sohn aus besserem Hause für sie interessierte. Karl hatte nie darüber gesprochen, aber Elfi war sich sicher, dass sie die erste Frau im Leben des schüchtern wirkenden Mannes war. Karl wusste, dass Elfi wie ein Sechser im Lotto war und dass er von vielen Männern der Stadt beneidet wurde als die Hochzeitsglocken läuteten. Die meisten Frauen von Bärlingen dagegen dürften aufgeatmet haben, denn Elfi ließ in Sachen Männer nichts anbrennen und in der beschaulichen Kleinstadt war die Hoffnung nicht ganz unberechtigt, dass die verheiratete Elfi ruhiger werden und die Finger von den Männern der Stadt lassen würde.
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