Mordwoche (German Edition)
Uhr“.
Was hatte das zu bedeuten? Was hatte ihr Mann vor? Musste sie Konsequenzen befürchten? Karl war nicht gerade bekannt für seine Konfliktfähigkeit im privaten Bereich. Auseinandersetzungen war er grundsätzlich aus dem Weg gegangen und so hatte Elfi oft ihren Kopf durchsetzen können. Warum sollte Karl also ausgerechnet jetzt, wo er so schwach war, etwas gegen sie unternehmen? Karl ging es seit ein paar Tagen deutlich schlechter. Sein Patient solle sich unbedingt schonen und jegliche Aufregung meiden, hatte Dr. Michael ihr eingeschärft, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Elfi war sich sicher, dass ihr Mann die Neuigkeiten des heutigen Nachmittags nur schwer verwinden konnte. Mitleid empfand sie keines für ihn.
Karl hatte seine Frau noch nie ernsthaft in ihre Schranken gewiesen. Elfi war sich sicher, dass sie das Problem auch dieses Mal auf ihre Weise lösen und es einfach aussitzen könnte. Mit dieser Devise war sie im Hause Merz bislang ganz gut gefahren und hatte sich so ihre ganz persönlichen Freiräume schaffen können. Karl würde sich wieder beruhigen. Schließlich blieb ihm in seiner Situation auch nichts anderes übrig, dachte sich Elfi. Sie ging in die Küche und nahm sich den Teller mit Lachsröllchen, der Vorspeise des Weihnachtsessens, legte ein paar Scheiben Baguette dazu und schnappte sich die angebrochene Flasche Sekt. Damit hatten sie vorhin auf einen schönen Abend im Kreise der Familie angestoßen. Der war allerdings gründlich daneben gegangen! Elfi wollte nicht allein im Esszimmer bleiben und zog sich deshalb in ihr Schlafzimmer zurück.
Dort kniete sie sich vor ihren Schrank auf den Boden. Ganz unten musste die Kiste mit den alten Briefen von Peter sein. Auch wenn Elfi die Affäre aus Berechnung beendet hatte, die Liebesbriefe hatte sie aus nostalgischen Gründen aufgehoben. Als sie damals bemerkte, dass sie schwanger war, wusste sie instinktiv, was zu tun war. Peter hätte ihr außer seiner Liebe, die er ihr leidenschaftlich und zärtlich unter Beweis stellte, nichts zu bieten gehabt. Da blieb die jungverheiratete Elfi lieber im gemachten Nest und verkündete ihrem Mann eines Abends als er wieder ausgelaugt bei ihr am Tisch saß, dass er Vater werden würde. Karl schien keinen Verdacht zu schöpfen, schließlich kam Elfi all ihren ehelichen Pflichten gewissenhaft nach.
Da waren die Briefe, die Peter Fuchs ihr vor über dreißig Jahren geschrieben hatte. Elfi hatte sie zu einem Bündel zusammengeschnürt und in einen Chiffonschal gewickelt. Bei jedem ihrer Treffen hatte Peter ihr einen Liebesbrief überreicht. Elfi setzte sich aufs Bett und nahm einen Schluck von dem schon etwas abgestandenen Sekt. Sie schnürte das Paket auf und begann zu lesen. Das war Balsam für ihre Seele. Wie jung sie damals war und wie begehrenswert! Karl hatte ihr nie solche Briefe geschrieben. Elfi konnte sich auch nicht daran erinnern, dass ihr Mann ihr jemals gesagt hatte, dass er sie liebe.
Was wohl aus Peter geworden war? Bei dem Gedanken an ihre unbeschwerten Treffen am Schöneich-See wurde Elfi ganz wehmütig. Sie war zu den Treffen mit ihrem roten Käfer gefahren, Peter war geradelt. Sie trafen sich erst dort, um nicht ins Gerede zu kommen, schließlich war Elfi verheiratet.
Peter hatte zwar keine konkreten Pläne, aber er musste sich Hoffnungen gemacht haben, Elfi dauerhaft für sich zu gewinnen. Die Trennung traf ihn hart und er hörte erst dann auf, um Elfi zu kämpfen, als sie ihm sagte, dass sie ihn nie geliebt und nur einen kurzen Sommerspaß zwischendurch gesucht habe. Peter war am Boden zerstört und hatte seitdem nie wieder probiert, Kontakt zu Elfi aufzunehmen. Soweit sie wusste, hatte er im Winter nach ihrer Affäre die Stadt verlassen. Seine Mutter musste allerdings noch hier leben. Vielleicht könnte sie versuchen, über Frau Fuchs Kontakt zu Peter aufzunehmen. Aber was sollte sie ihm sagen nach all den Jahren? Sollte sie ihm etwa von Susanne erzählen? Das konnte sie unmöglich allein entscheiden. Sie hatte ihrer Tochter heute schon viel zu viel zugemutet; alle weiteren Schritte sollte sie mitbestimmen dürfen. Vielleicht wollte Peter seine Tochter aber auch gar nicht kennenlernen, nach allem, was Elfi ihm angetan hatte. Damit musste sie auch rechnen. Ob Peter sie wohl gehasst hat? Grund genug hätte er jedenfalls gehabt, dachte sich Elfi und griff nach dem Teller mit den Lachsröllchen.
Was würde sie darum geben, noch einmal das Gefühl zu erleben, so
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