Mordwoche (German Edition)
Und in der Tat wurde diese unter dem Einfluss ihres Mannes ein wenig bodenständiger und gefiel sich anfangs auch in der Rolle der Unternehmer-Gattin, die das Heim verschönerte. Karl blühte mit Elfi an seiner Seite auf und gewann an Selbstbewusstsein. Von seinen Eltern übernahm er das Autohaus und stand mit beiden Beinen im Geschäftsleben.
B ald jedoch hatte sich für Elfi der Reiz des Neuen erschöpft und sie begann sich nach Abwechslung zu sehnen. Wäre ihr Mann ein wenig aufmerksamer und sensibler gewesen, er hätte vielleicht gemerkt, dass seine Frau immer häufiger zu ihren Einkaufstouren aufbrach und ihre Errungenschaften zu Hause nicht einmal mehr auspackte. Von einem Tag auf den anderen änderte sich dieses Verhalten allerdings schlagartig. Da wartete auf ihn eine gut gelaunte Elfi, die ihn fürsorglich bekochte und sich nach seinem Arbeitstag erkundigte. Karl bemerkte diese Veränderung nicht, er arbeitete sehr viel in dieser Zeit. Die Konkurrenz in Bärlingen schlief nicht. Die erfahrenen Besitzer der anderen Autohäuser rechneten sich reelle Chancen aus, den jungen Mitbewerber, der eben erst das elterliche Autohaus übernommen hatte, aus dem Markt zu drängen. Die Konkurrenz spornte Karls Ehrgeiz an und er vergaß vor lauter Arbeit, dass zu Hause eine junge Frau auf ihn wartete, die sich mehr von ihrem Leben erhoffte, als am Abend einem müden Mann das Abendessen vorsetzen zu können.
Die Kinder waren gegangen und im Haus war es still geworden. Elfi nahm die Christbaumkugeln vom Baum, der Heilige Abend fiel dieses Jahr aus. Sollte sie sich jetzt etwa auch noch dafür schuldig fühlen, dass alles anders gekommen war als geplant? Wer hatte denn auf die Neuigkeiten Susannes reagiert wie der letzte erzkonservative Spießer? Wer hatte sich dazu hinreißen lassen, sie als Tochter zu verstoßen, nur weil sie ihren eigenen Weg zum Glück gehen wollte? Wusste Karl überhaupt, was Liebe bedeutete? Hatte er sie jemals wirklich geliebt? Oder war sie für ihn nur eine Eroberung, mit der man angeben konnte? War es damals seine Torschlusspanik gewesen, die ihn in ihre Arme getrieben hatte?
Wenn jemand sich fragen sollte, warum dieser Abend mit Pauken und Trompeten den Bach runtergegangen war, dann war das Elfis Ansicht nach ihr Mann. Allerdings zählte eine besondere Aufmerksamkeit seinen Mitmenschen gegenüber nicht zu Karls Stärken, dachte seine Frau. Elfi hatte das Spielzeugauto unter dem Baum entdeckt. Sie ging in die Knie und hob den Miniatur-Käfer auf. Das war ihr Käfer! Herrliche Zeiten, waren das damals, dachte die Hausherrin. Die Sache damals mit Peter hatte ihr Mann nicht einmal bemerkt. Elfi seufzte. Die Erinnerung an ihre alte Liebe war ganz plötzlich aufgetaucht. Gedanken an die glücklichen Stunden mit Peter hatte sich Elfi nicht oft erlaubt. Heute war das anders, heute gab es keine Zensur. Elfi hatte den Weihnachtsbaumschmuck wieder in seiner Kiste verstaut und genehmigte sich einen Cognac aus der Hausbar. Mit ihrem Glas setzte sie sich in den Sessel, den Karl bevorzugte und legte die Füße auf den Couchtisch. Heute war alles egal.
Was Karl wohl jetzt machte? Ihr Mann hatte die Runde im Wohnzimmer verlassen und Elfi hatte nur noch die Tür zum Arbeitszimmer ins Schloss fallen hören. Während des Geständnisses war sie die Aktive gewesen und sie hatte es genossen, alle Fäden der Handlung in der Hand zu haben. Jetzt stand sie allein in dem großen Wohnzimmer und wusste nicht, ob sie heute noch irgendeine Reaktion von ihrem Mann zu erwarten hatte. Er hatte sich nur für den Namen des Mannes interessiert, der Susannes leiblicher Vater war. Kein Wort zu ihr, kein Kommentar zu der Affäre. Damit hätte Elfi nicht gerechnet. Im Fernsehen folgten solchen Offenbarungen doch eigentlich immer emotionale Szenen, in denen geschrien und geweint wurde. Im Hause Merz dagegen war es ganz still.
Elfi war einerseits erleichtert, dass sie ihre Lebenslüge losgeworden war, andererseits fühlte sie sich auch unsicher, weil es keine weitere Reaktion von Seiten Karls zu geben schien. Sie trank den zweiten Cognac in einem Zug aus und ging hinaus in die Diele. Auf Zehenspitzen schlich sie in Richtung Arbeitszimmer, um an der Tür zu lauschen. Lange hörte sie gar nichts. Schließlich schien ihr Mann zu telefonieren. Elfi presste den Kopf noch enger an die Tür. Durch den Lederbeschlag an der Innenseite drangen aber nur einzelne Worte an ihr Ohr. Sie verstand nur „Vertrauen“ und „morgen zwölf
Weitere Kostenlose Bücher