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Mordwoche (German Edition)

Mordwoche (German Edition)

Titel: Mordwoche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wierlemann
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Lebenswerk sollte seine Familie stolz machen und ihr Sicherheit bieten. Auch den Angestellten gegenüber fühlte sich Karl Merz wie einer der alten Firmen-Patriarchen verpflichtet. Er bot ihnen sichere Arbeitsplätze und war stolz darauf, dass seine Mitarbeiter dem Unternehmen treu waren. Trotz Konjunkturschwankungen, die auch an seinem Geschäft nicht spurlos vorübergegangen waren, hatte er in seinem ganzen Berufsleben noch keinen seiner Mitarbeiter entlassen.
     
    Karl Merz ging in das Büro, das man erreichte, wenn man von der Ausstellungshalle mit den bodentiefen Schaufenstern eine Freitreppe zu einer Galerie im ersten Stock hochstieg oder wenn man den zweiten Personaleingang auf der Rückseite des Autohauses benutzte und durch das fensterlose Treppenhaus nach oben ging. Karl Merz genoss den Anblick seiner Autos vom ersten Stock und öffnete die Tür zum Büro. Der Senior-Chef ging direkt in den fensterlosen Seitenraum, der von dem Büro abzweigte, in dem Elfi und Katrin normalerweise arbeiteten. Hier befand sich der Safe des Autohauses und Karl öffnete den Panzerschrank, indem er die Kombination einstellte und den Schlüssel ins Schloss steckte. Er hatte immer Wert darauf gelegt, eine größere Menge Bargeld im Haus zu haben. Erstens konnte man nie wissen, welche Geschäfte sich spontan ergaben. Und zweitens konnte er dem Finanzamt nur einen Teil des Geldes, das im Autohaus Merz über den Tresen ging, melden und es auf ein normales Sparkassen-Konto einzahlen.
    Heute war Karl froh, dass er niemandem eine Erklärung abgeben musste. Schließlich war er immer noch der Chef und konnte hier tun und lassen was er wollte! Er griff in den Safe. Die Geldbündel steckte er in einen dicken wattierten Umschlag. Einen Aktenvermerk über den Verbleib des Geldes würde er ganz sicher nicht schreiben. Bevor er den Tresor schloss, nahm er noch einen Autoschlüssel heraus, der an einem Schlüsselanhänger baumelte, der an eine Diskokugel erinnerte.
     
    Um zwölf Uhr hatte er sich mit Adriano Felice im Venezia verabredet, es blieb ihm also noch gut eine Stunde, bevor er sich auf den Weg machen musste. Karl stieg wieder in die Fahrzeughalle hinab und ging durch den Glaskorridor zum Pavillon, einem gläsernen Anbau an den Verkaufsraum des Autohauses. Den Pavillon hatten sie vor zwanzig Jahren bauen lassen, um die inzwischen stattliche Sammlung an Oldtimern unterzubringen. Bis dahin hatten die Sammlerstücke in einer großen Garage im hinteren Teil des Firmengeländes gestanden. Die Autos waren schon etwas Besonders und Karl sprach gern von seinem kleinen Museum, wenn er Besuchern die Raritäten des Hauses präsentierte. Ganz vorn am Fenster stand auch Elfis roter Käfer. Sie hing sehr an ihrem ersten Auto und jeden Sommer unternahm sie in dem alten VW eine Spritztour. Nur eine Fahrt. Dann stand das gute Stück wieder ein Jahr in der Ausstellung. Dass Elfi ihren Käfer-Ausflug „Peter-Fuchs-Gedächtnis-Tour“ nannte wusste niemand außer ihr. Ihr Mann ahnte nicht das Mindeste.
     
    Heute ging der Senior-Chef direkt auf den Wagen seiner Frau zu und stieg ein. Der Käfer war gut gepflegt, keine Lackkratzer, die Chromteile waren poliert. So mancher Sammler hätte ihm viel für diesen Oldtimer geboten. Karl Merz legte den Geldumschlag auf den Beifahrersitz und lehnte sich zurück. Er hatte Elfi das Auto zur Hochzeit geschenkt und damit genau ins Schwarze getroffen. In den Siebzigern gab es noch nicht viele Frauen in Bärlingen, die ein eigenes Auto hatten. Meistens gab es in der Familie nur einen Wagen, Emanzipation hin oder her. Autos waren hier in der Provinz schon immer Männersache und daran hatte sich bis heute nicht allzu viel geändert.
    Er hatte seiner Frau doch alles geboten, wonach man sich sehnen konnte. Warum hat te sie ihr gemeinsames Leben nur so verraten und ihn derart verletzt? In seine Wut auf Elfi mischte sich Trauer über das Scheitern seines Lebenstraumes, der heilen und glücklichen Familie. Seine Frau hatte alles zerstört, was ihm wichtig gewesen war. Deutlicher hätte sie ihm nicht zeigen können, wie sehr sie ihn verachtete, wie gleichgültig ihr die Gefühle anderer und wie wertlos das gemeinsame Leben für sie war. Wie hatte es nur so weit kommen können? Warum war seine Frau so eine verbitterte und bösartige Person geworden? Karl Merz fand keine Antworten auf seine Fragen. Vielleicht war es seine Schuld, dachte Karl Merz. Er war viel zu nachsichtig mit ihr gewesen! Er hätte ihr nicht alle Verrücktheiten

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