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Mordwoche (German Edition)

Mordwoche (German Edition)

Titel: Mordwoche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wierlemann
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das Kind von Susanne zur Welt kam, schnürte ihm die Kehle zu. Zum Glück ließ ihm der Fahrer keine Zeit, in seinen schweren Gedanken zu versinken. „Bei uns war gestern auch ordentlich Trubel im Haus. Die Kinder waren alle da. Deshalb bin ich heute sogar ganz froh, dass ich Dienst habe und ein bisschen rauskomme. Sie brauchen wohl auch eine kleine Auszeit, gell?“ Der Taxifahrer schaute Karl Merz im Rückspiegel an, dieser nickte nur zustimmend.
     
    Vor dem Autohaus angekommen, stieg der Senior-Chef aus und blieb noch eine Weile stehen, nachdem das Taxi schon wieder weggefahren war. „Merz“ stand in dicken Leuchtbuchstaben über dem Autohaus. Karl betrachtete seinen Laden, als würde er ihn zum ersten Mal bewusst ansehen. Sie hatten sich über die Jahre ganz schön vergrößert. Als er das Autohaus von seinen Eltern übernahm, war es noch eine reine Reparatur-Werkstatt. Mittlerweile machte der Verkauf von Neu- und später auch Gebrauchtwagen den größten Teil des Umsatzes aus. Sein Vater hatte ihm noch abgeraten, als er ihm davon erzählte, dass er ins Gebrauchtwagen-Geschäft einsteigen wolle. Zum Glück hat er nicht auf ihn gehört. Damit hatte er den richtigen Riecher bewiesen. Hier in der schwäbischen Provinz zeigte man seinen Erfolg gern, indem man ein entsprechendes Auto fuhr, am besten einen Neuwagen. Wenn der Geldbeutel das allerdings nicht zuließ, dann kam auch ein Gebrauchter in Frage, Hauptsache er sah nach etwas aus. Die viel belächelte schwäbische Sparsamkeit konnte man zwar auch in Bärlingen an der einen oder anderen Stelle beobachten, ausgenommen jedoch in der Garage.
     
    Karl Merz zog den Mantel enger um sich, er fror. Seit er so stark an Gewicht verloren hatte, machten ihm die Temperaturen hier in Schwäbisch Sibirien noch mehr zu schaffen. Der Senior-Chef schloss die Tür zum Personaleingang auf. In der Fahrzeughalle standen die auf Hochglanz polierten Limousinen und auch einige SUVs, die in letzter Zeit so gut liefen. Über diesen Anblick konnte Karl Merz sich immer wieder freuen. Es war schon phänomenal, welche Fortschritte die Autoindustrie seit seiner Jugend gemacht hatte. Heute musste man im Auto auf keinen Luxus mehr verzichten. Die meisten seiner Kunden allerdings wählten eher ein Modell, das von außen repräsentativ aussah, schließlich wollte man die Nachbarn damit beeindrucken und vielleicht auch übertrumpfen. Bei der Innenausstattung sparten die Bärlinger dann aber doch gern. Schließlich sah man das Innenleben des Autos nicht von außen und für den eigenen Gebrauch tat es auch die kostengünstigste Version.
    Karl war kein schlechter Verkäufer. Ihm war sehr daran gelegen, zufriedene Kunden zu haben. Und wenn die sich mit einer spartanischen Innenausstattung zufrieden gaben, dann respektierte er diesen Wunsch. Elfi war da ganz anders. Sobald der Interessent sich auf ein Modell festgelegt hatte, zog sie alle Register der Überzeugungskunst, um doch noch ihre Provision an dem luxuriösen Innenleben zu verdienen. Sie manipulierte die Männer dabei so geschickt, dass es diesen ganz wichtig war, vor ihren Frauen nicht wie Geizkragen dazustehen, die ihnen keine komfortable Ausstattung gönnten. Diese Masche funktionierte meistens. Karl mischte sich nicht ein, aber er musste den Raum verlassen, wenn Elfi mit den Kunden flirtete und charmanten Psychodruck aufbaute.
     
    Karl Merz fuhr mit den Fingern über die Motorhauben der ausgestellten Autos. Das hier war sein Lebenswerk. Was hatte er hier nur an Zeit und Energie reingesteckt. Und jetzt? Was blieb von all dem übrig? Er war draußen. Das Geschäft lief auch ohne ihn und würde das auch in Zukunft tun. Die Frage war nur, wie würde es weiterlaufen? Elfi würde nach seinem Tod die Geschäfte des Autohauses in alleiniger Verantwortung weiterführen. Beratend stünden ihr Katrin und Frank zur Seite, die später einmal das elterliche Erbe antreten sollten. Aber würde Elfi tatsächlich auf ihre Tochter und ihren Schwiegersohn hören? Frank hatte Andeutungen gemacht, dass Elfi alle Entscheidungen wie eine Alleinherrscherin traf und nur wenig Bereitschaft zu Team-Entscheidungen zeigte. Karl Merz wusste, dass sein Schwiegersohn nicht das beste Verhältnis zu Elfi hatte, was sicherlich auch daran lag, dass Elfi und Katrin immer wieder aneinander gerieten. Das Autohaus durfte auf gar keinen Fall in einen internen Machtkampf geraten, das war dem Senior-Chef klar. Das konnte sonst das Todesurteil für den Laden bedeuten. Sein

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