Mordwoche (German Edition)
Tricks, ich schieße!“ Karl stand keuchend in der Bürotür und hatte den Durchgang zum Nachbarzimmer fest im Blick. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bevor sich dort etwas rührte.
„Karl, ich bin’s Frank, dein Schwiegersohn! Nimm die Waffe runter. Ich komme jetzt langsam raus.“ Mit erhobenen Händen erschien Katrins Mann in der Türöffnung. Er war kreidebleich im Gesicht und der Schreck, den ihm sein Schwiegervater eingejagt hatte, war ihm anzusehen. Karl nahm mit einem erleichterten Seufzer die Pistole runter. Er schien förmlich in sich zusammenzufallen, als die Anspannung nachließ. Und so musste der mutmaßliche Einbrecher mit wackeligen Knien dafür sorgen, dass sein Schwiegervater sich schnell hinsetzte, bevor er sich selbst auf einen der Stühle fallen ließ.
„Was machst du denn hier? Heute ist der erste Weihnachts feiertag!“ Karl hatte als erster seine Sprache wiedergefunden. „Ein Kumpel von mir hat mich gestern noch angerufen. Der Anlasser in seinem Wagen spinnt und er will morgen mit der ganzen Familie in den Ski-Urlaub. Ich habe ihm versprochen, mir die Sache mal anzusehen.“ „Und was machst du dann hier oben? Die Werkstatt ist soviel ich weiß, immer noch unten im Hof.“ „Ja, aber ich konnte meinen Schlüssel zu Hause nicht finden. Gestern Abend ging’s bei uns noch ziemlich drunter und drüber. Und da wollte ich mir den Universalschlüssel aus dem Safe holen. Den Safe-Schlüssel habe ich von Katrins Schlüsselbund abgemacht, aber die Kombination wusste ich nicht.“ „Und du glaubst tatsächlich, dass die hier irgendwo mit einer Haftnotiz am PC klebt?“ „Ja, das habe ich jetzt auch gemerkt. Mann, Karl, du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt! Ich wusste gar nicht, dass du eine Pistole hast.“ Karl hielt die Waffe immer noch umklammert. Jetzt sicherte er sie und legte sie auf dem Schreibtisch ab. „Gibt’s hier eigentlich was zu trinken? Ich könnte jetzt einen vertragen.“ Frank sah seinen Schwiegervater an. Auf den Schreck wäre gegen ein medizinisches Schlückchen nichts einzuwenden. „Ich hole uns was.“ Kurze Zeit später kam Frank mit zwei Cognac-Gläsern zurück, die er auf den Schreibtisch stellte. Karl hatte die Pistole in der Zwischenzeit eingesteckt. Offensichtlich war das Thema für ihn damit erledigt.
„Und, musstest du auch mal raus von zu Hause?“ Karl Merz nickte nur und trank seinen Cognac in einem Zug aus. Frank war froh, dass die Waffe verschwunden war, er wollte so schnell wie möglich wieder zur Normalität übergehen. Nicht auszudenken, wenn Karl vor Aufregung geschossen hätte! Karl schien nicht sonderlich gesprächig zu sein und Frank kam ihr Schweigen endlos vor. Sollte er seinen Schwiegervater direkt auf den Eklat von gestern ansprechen? Frank entschloss sich dazu, abzuwarten. Wenn Karl von sich aus das Gespräch suchte, dann würden sie darüber reden, ansonsten nicht. Offensichtlich brauchte sein Schwiegervater keinen Beistand, denn er erwähnte das Geständnis von Elfi mit keinem Wort. Für ihn war etwas anderes viel wichtiger. „Und die Kinder? Wie geht es denen? Hatten sie wenigstens noch eine schöne Bescherung nach dem ganzen Schlamassel gestern?“ „Marie und Lukas fanden es zwar schade, dass wir nicht bei euch geblieben sind, aber sie haben kein Theater gemacht. Irgendwie haben sie wohl gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Katrin und ich haben ihnen nur gesagt, dass es dir nicht so gut geht und du deine Ruhe brauchst. Das haben sie dann verstanden. Zu Hause haben wir in aller Ruhe das Christkind kommen lassen.“ Karl Merz wurde es ganz schwer ums Herz, wenn er an die ausgefallene Bescherung dachte. „Da wäre ich zu gern dabei gewesen.“ „Weißt du was, Karl, wir machen es uns dafür nachher umso schöner.“ „Ich glaube, es ist keine gute Idee, es heute gleich wieder zu probieren mit der heilen Familie. Der Abend gestern hat mir ehrlich gesagt gereicht.“ „Das kann ich verstehen. Katrin und ich haben auch lange überlegt wie wir es machen sollen. Und wir haben uns letztlich dafür entschieden, dass wir das Treffen trotzdem stattfinden lassen wollen, wie immer. Dieses mal aber ohne Elfi. Katrin ruft sie heute Morgen an, um es ihr zu sagen.“ Karls Laune besserte sich schlagartig. „Dann könnte es in der Tat noch ein schöner Tag werden.“
Karl Merz hatte sich fest vorgenommen, sich ab sofort nicht mehr mit Höflichkeiten aufzuhalten. Er würde nur noch das tun, wonach ihm war und das sagen, was er
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