Morenga
Individuen untereinander. Diese Konkurrenz ist der Antrieb jeder wirtschaftlichen Entwicklung und bildet das Fundament, auf dem sich das freie Individuum herausbildet. Im Stammesverband der Hottentotten aber ist die Konkurrenz durch das Prinzip der gegenseitigen Hilfe außer Kraft gesetzt. Niemand muß für Notzeiten oder Alter Vorsorgen, da er sich darauf verlassen kann, daß andere, sofern sie etwas haben, mit ihm teilen werden. Das Problem besteht gerade darin, daß wir in dem Hottentotten einen Menschenschlag finden, der all seine Intelligenz, über die er im Überfluß verfügt, aufwendet mit dem einzigen Ziel, bequem zu leben, das Leben zu genießen und möglichst nichts zu tun. Eine Haltung, die so manchen Hedoniker dazu verführt, diese als Beweis dafür zu nehmen, daß allein aus der Faulheit große Erfindungen entstehen, weil die Intelligenz erstaunliche Kräfte mobilisiert, den bequemsten Weg zu erfinden. Zumindest ist der Erfindungsreichtum der Hottentotten extrem ausgebildet, wenn es darum geht, die eigene Bequemlichkeit zu erhalten, herumzusitzen, Schnaps zu trinken, zu tanzen oder auch nur dem blauen Dunst des Pfeifenrauchs nachzuträumen. Ich habe selbst Hottentotten gefunden, die sich über das geschäftige Treiben der Deutschen lustig machten. Der Hottentotte kann bis heute nicht im anderen seinen Konkurrenten sehen. Hier hat die jahrhundertelange Missionsarbeit noch keine Früchte getragen. Den Namen des Stifters, dessen Leben ein einziges großes Sichselbstopfern war, darf doch nur der führen, der wenigstens des kleinsten Opfers im Dienste der Mitmenschen, der Arbeit, fähig ist. In diesem Sinne sind wenige Hottentotten Christen geworden. Die systematische Erziehung der Eingeborenen zur Arbeit ist wirtschaftlich oft genug gefordert worden. Sie scheint mir aber auch eine unabweisliche religiöse Forderung an die christliche Mission zu sein. Die Erfahrung hat gezeigt, daß ein wirtschaftlich verkommenes Naturvolk auch sittlich sinkt, weil es um des täglichen Brotes willen zu jedem Dienst der überlegenen Rasse feil wird. So mutet also die Forderung der Arbeitserziehung des Eingeborenen dem Missionar keine programmwidrige Verweltlichung seiner Aufgaben zu, sondern weist nur auf einen Weg zur sicheren Fundierung seiner religiösen Aufgabe hin. Die weiße Bevölkerung andererseits wird der Mission für einen geschulten Arbeitschristen dankbarer sein als für neunundneunzig bibelfeste, aber arbeitsscheue Himmelskandidaten.
Unter diesem Gesichtspunkt sollte man auch die Arbeit der katholischen und der evangelischen Mission sehen, die man ruhig in einen Wettstreit treten lassen und nicht wie bisher die katholische Mission von amtlicher Seite behindern sollte. Erst an dem Ergebnis, welche der beiden Missionen den arbeitswilligeren, auch staatsbejahenderen eingeborenen Christen hervorbringt, wird sich einmal der Erfolg ablesen lassen, der damit weit über die Missionen Tragweite erlangt.
Das Verhältnis des Hottentotten zu seinem deutschen Herrn ist folgendermaßen zu charakterisieren: Der Hottentotte lernt unverhältnismäßig schnell unsere Sprache, er beobachtet den Fremden scharf und hat die Klugheit, mit seinem Ergebnis zurückzuhalten. In allen drei Punkten unterscheidet er sich vorteilhaft von der Mehrzahl unserer Landsleute. Man hat draußen für die Sprache wegen ihrer Schnalzlaute nur Spott. Das mag an sich harmlos sein; aber ein großer Teil unserer Landsleute begnügt sich überhaupt damit, am Hottentotten das Abweichende, Komische, Lächerliche herauszufinden, und das ist bedenklicher. Dabei treten dann die größten Gegensätze im Verkehr zutage. Demselben Kapitän, der bei Gelegenheit als »Spitze« von Beamten ins Haus geladen wird, bietet der Händler mit den Worten »Willst du einen Schnaps haben, altes Schwein?« auf seine Weise Gastfreundschaft an. Hier wird ein Weißer mit einer Geldstrafe belegt, weil er einen naseweisen Hottentotten handgreiflich vom Hofe gejagt hat, dort teilt einmal der Beamte selbst in begreiflicher Erregung blaue Striemen aus. Die Züchtigung an sich ist – solange sich beim Hottentotten nicht freiwillig kulturelles Verhalten zeigt – nicht das Verwerfliche, sondern der Widerspruch in der Behandlung. Man mag das rücksichtslose Vorgehen im Einzelfall mißbilligen; die Konsequenz aber, mit der auch der milder denkende Bure, in voller Übereinstimmung mit seinesgleichen, seine strengen Grundsätze dem Hottentotten gegenüber wahrt, ist der gute Kern dessen,
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