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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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südwestafrikanischen Schutzgebietes lebt kaum ein Mann, der eine für uns so verhängnisvolle Rolle zu spielen wußte und uns auch in Zukunft noch so viele Schwierigkeiten zu bereiten verspricht als George St. Leger-Lennox – Scotty Smith. Um so dringender scheint es geboten, die deutsche Welt, auch die amtliche, mit dieser politischen Person bekannt zu machen, als über den Zusammenhang Scottys mit dem imperialistischen Ministerium in Kapstadt und mit der diesem Ministerium überdies auch geschäftlich nahestehenden expansionslüsternen De Beers Company in Kimberley kein Zweifel mehr bestehen kann.
    Das politische Programm dieser in ihrer Art ganz bedeutenden Persönlichkeit geht recht deutlich aus zwei Äußerungen hervor, welche Scotty in meinem Beisein gelegentlich fallenließ. Das eine Mal erklärte er, es sei ein Widersinn, Südafrika wirtschaftspolitisch zu teilen. Zudem würden wir Deutsche nie lernen, die wirtschaftlichen Möglichkeiten Südwestafrikas, welche Scotty hoch bewertet, zu entwickeln. Daran hindere uns die Engherzigkeit der kolonialen Regierung ebenso wie die des Parlaments. Für die Suprematie der britischen Flagge in Südafrika ferner sei die deutsche Nachbarschaft militärisch und politisch eine ständige Gefahr. Scotty suchte mich dafür zu gewinnen, mit Hilfe der deutschen Presse ein neues Tauschgeschäft einleiten zu helfen, Südwest gegen Britisch-Ostafrika und Sansibar.
    Ein andermal erklärte Scotty auch in Gegenwart eines deutschen Arztes in Upingtown: »Wenn ich will, habt ihr morgen Frieden, und wenn ich will, weht der Union Jack über euer Schutzgebiet, sobald die Zeit mir gekommen scheint!«
    In dieser Äußerung, welche in Gordonia viel besprochen wurde, haben manche eine lächerliche Selbstüberschätzung Scottys erblicken zu müssen vermeint. Solche Zweifler verkennen doch die positive Macht, welche sich Scotty in mehr als vierzigjähriger zäher, zielbewußter, sittlich freilich recht wenig einwandfreier Arbeit zu schaffen verstand. Diese ansehnliche Macht in den Händen eines Mannes, der die weitesten moralischen Gegensätze in sich vereint, bei dem jedes, auch das häßlichste Mittel den Zweck heiligt, der zudem trotz zahlreicher Verbrechen, ja Morde, die er verübte und die auch durch besondere Begleitumstände nicht vom Gemeinen entkleidet werden (Scotty hält politische Morde für erlaubt, ja im Staatsinteresse oft geboten!), über den Arm der kapländischen Regierung und die Mittel der De Beers Company gebietet – eine derartige Macht fällt jedenfalls schwer ins Gewicht. Niemand hat diese Macht Scottys höher bewertet als die Imperialisten in Kapstadt und De Beers. Diese auch geschäftlich günstige Konjunktur hat Scotty derart schon früher ausgenutzt, daß Cecil Rhodes einst gesagt haben soll: »Er hat die stärkste Hand. Man weiß nicht, ob Scotty das Werkzeug der Regierung oder die Regierung das Werkzeug Scottys ist.« Namentlich seit dem Burenkriege, wo sich Scotty den Briten sehr nützlich zu machen verstand, sind seine Macht und sein Einfluß noch erheblich gewachsen. Scotty ist heute ein Dreiundsechziger, sehr kräftig gebaut und außergewöhnlich frisch. Vor einem halben Jahr hat er sich mit einer Frau verheiratet, die ihm schon eine Reihe von Kindern geschenkt hatte. Der geistig geradezu glänzend veranlagte Mann macht aus seiner antideutschen Tätigkeit kein Hehl, ebensowenig aus seinen politischen und geschäftlichen Beziehungen zu Kapstadt und Kimberley. Seine Schachzüge freilich hüllt er in undurchdringliches Dunkel. Bald spickt er die Zeitungen mit äußerst geschickt verfaßten Artikeln, bald schickt er seine Boten, um die Eingeborenen des deutschen Gebietes mit Nachrichten oder Ratschlägen zu versehen, bald organisiert er waghalsige Raubzüge, an denen er nicht selten persönlich teilnimmt. Allgemein gilt er – und er gibt es, nicht ohne einen gewissen Grad von Eitelkeit zu verbergen, selbst zu – als der geheime Generalissimus der Aufständischen.
    Sein Einfluß auf Hendrik Witbooi datiert bereits aus der Zeit des ersten Witbooi-Orlog und kam vor zwei Jahren besonders zum Ausdruck. Die verräterische Rolle, die Hendrik spielte, ist nicht zum wenigsten auf Scottys Einwirkungen zurückzuführen. Scotty war es auch, der den Verkauf des von den erschlagenen Farmern geraubten Viehs besorgte, das die Witboois nach dem Englischen schaffen mußten.
    Dieser Einfluß kam auch Morenga gegenüber zur Geltung. Als vor einigen Monaten Morenga von unseren

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