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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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hier vielmehr darauf an, das spezifische Verhältnis der Hottentotten zu den weißen Völkern zu zeigen, und zwar so, daß möglicherweise Erkenntnisse gewonnen werden, wie diese Eingeborenen richtig zu behandeln sind.
    Seit Jahrhunderten haben die Hottentotten mit den Buren Kontakt, und zwar derart, daß sie von diesen weißen Kulturpionieren Südafrikas meist als Sklaven gehalten wurden. Noch heute bezeichnet der Bur den Hottentotten schlechtweg als Schepsel, d. h. als ein Geschöpf im Sinne eines Wesens, das nun einmal neben ihm noch existiert wie so manches andere Unverständliche oder Überflüssige in der Welt. Oder er nennt den Hottentotten geel goed, gelbe Ware, die man wie Vieh einspannen oder verhandeln kann. Die Gewohnheit, Hottentottenkinder aufzugreifen und aufzuziehen, groot maak, ist heute weniger lohnend als früher, da der Hausherr noch über Leben und Tod seiner Leibeigenen frei verfügte und Ungehorsam oder Entlaufen kurzerhand mit Erschießen bestrafte. Daß ihm die nachdrängende Kultur, getragen von der englischen Verwaltung, diese alten Gewohnheitsrechte genommen hat, ist dem Burentypus, den ich in Klein-Namaland kennenlernte, ein Hauptmotiv, die englische Herrschaft (die ihn im übrigen so frei als nur denkbar gewähren läßt) zu verabscheuen.
    Diese Buren waren komisch enttäuscht, als sie erfuhren, daß auch auf deutschem Gebiet, in das sie auswandern wollten, der Hottentotte gewisse Rechte habe. Näher mit den Buren bekannt geworden, suchte ich mir im Gespräch Aufklärung darüber zu verschaffen, wie wohl in ihren Augen der Gott, vor dem sie dreimal am Tage auf den Knien liegen, ihre Auffassung der Nächstenliebe farbigen Menschen gegenüber ansehen möge? Man verwies mich auf die Bibel. Ich würde ihre Argumentation aus dem alten Testament nicht ernst genommen haben, wenn sie mir nicht so ernst vorgetragen worden wäre und sich in der Tat, auch an anderem Ort, als Richtschnur ihres Handelns erwiesen hätte: Im neunten Kapitel der Genesis verflucht Noah den Sohn Hams, Kanaan, und seine Nachkommen zur Knechtschaft. Der Bur dehnt diesen Fluch auf alle Hamiten aus, den Hottentotten rechnet er dazu, sieht also in ihm einen geborenen Sklaven. Wer ist nun der Herr, den Gott über sie gesetzt hat? Was das Volk Israel im alten Bunde war, das ist der Christ im neuen. Im 7. Kapitel des 5. Buches Mose wird die Austilgung der Kanaaniter geboten. So hat Gott den christlichen Buren als den Erben Israels zum Herrn über Leben und Tod der verfluchten Nachkommen Kanaans bis in ihr jüngstes Glied (das sind die Eingeborenen Südafrikas) gesetzt. An dieser Auffassung hängt der Bure um so fester, je beschränkter und rassenstolzer er ist. Den freier Denkenden unter den Buren ist diese Art Evangelium ein Deckmäntelchen, das selbst am klarsten zeigt, was es verbergen soll: den maßlosen Egoismus des Buren, der bald dem Hottentotten nichts anderes übrigließ, als den langsamen Würgekrieg auch seinerseits schonungslos zu führen. Wer in der gegebenen Situation die Oberhand hatte, handelte und handelt noch jetzt, wo das Gesetz nicht hinreicht, nach diesem Grundsatz.
    In ein extrem entgegengesetztes Verhältnis trat der Hottentotte zu einer anderen Gruppe weißer Männer, zu den Vertretern der christlichen Mission, die heute von den Sendboten der Rheinischen Missionsgesellschaft zu Barmen ausgeübt wird. Wer die älteren Berichte dieser Gesellschaft liest, ermißt den Abstand der heutigen Nama-Mission von der vor fünfzig Jahren. Damals war die Tätigkeit unter den Hottentotten im herrenlosen, von Kämpfen der Eingeborenen untereinander heimgesuchten Land ein Opfer allerersten Ranges. Ohne den Schutz einer Regierung lieferte sich der Missionar dem Volk auf Gnade und Ungnade aus, folgte den ruhelosen Stämmen auf den Wanderzügen, teilte mit ihnen Hunger und Durst, und zuweilen scheute der Missionar selbst vor einer Ehe mit einer Eingeborenen nicht zurück, um eine möglichst enge Fühlung mit dem Volk zu gewinnen. Und manch einer der Missionare starb in diesem Lande auf rätselhafte Weise, wie beispielsweise der Missionar Gorth. Andere verzagten und kehrten, von der Unmöglichkeit überzeugt, aus Hottentotten zivilisierte Christen zu machen, resigniert nach Europa zurück.
    Erst durch die Schutzverträge mit dem Reich, die von der Mission denn auch kräftig gefördert wurden, wurden dem Leben und dem Eigentum Garantien gegeben, und die Arbeit zeigte Erfolge. Inzwischen sind alle Hottentottenstämme seßhaft,

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