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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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gleichen Zeit auf einen Stuhl, den er sich zurechtgerückt hatte. Auf die Fragen des Missionars, die dieser ihm sozusagen als Kollege und Bruder in Christi stellte, antwortete Shepperd Stürmann frei und selbstbewußt (das Gespräch hat Wandres in einem Geheimbericht vom 6. 12. 1904 an das kaiserliche Gouvernement weitergegeben). Auf die Frage, in wessen Auftrag er sich auf diese missionarische Reise begeben habe und wer sie bezahle, antwortete Stürmann, daß er allein von dem lebe, was die Eingeborenen ihm schenkten, Früchte, Hirse, manchmal auch etwas Fleisch. Ich war Stallknecht in Kimberley. Als ich eines Tages den Pferdestall reinigte, sah ich plötzlich in einem Strohhaufen eine Flamme und in derselben eine Gestalt, die mich mit durchbohrenden Blicken anschaute. Ich merkte, daß es Christus war. Neben der Gestalt bemerkte ich schwarze Leute. Der Herr in der Flamme erteilte mir den Auftrag, nach Westen zu gehen, um schwarzen Menschen das Evangelium zu verkünden. Missionar Wandres hat, so schreibt er in seinem Geheimbericht, Shepperd Stürmann darauf hingewiesen, daß er stark vom Kurse abgewichen sei und seine Wanderung nordwärts gerichtet habe. Shepperd Stürmann antwortete nur: Das hat der Weg so mit sich gebracht. Schließlich machte Wandres Stürmann darauf aufmerksam, daß er dort, wohin er gehen wolle, sich gar nicht verständlich machen könne, da er nicht die Hererosprache spreche. Da antwortete Stürmann: Gott wird mir zur rechten Zeit die Gabe der Sprache schenken.
    Wenige Tage nach dieser Unterhaltung zog Stürmann mit einem Ochsenwagen, dessen Fahrer, ein Bastard, ihn eingeladen hatte, in den Süden. Er wolle zu Hendrik Witbooi, dem berühmten Kapitän der Hottentotten, hatte er dem Missionar Wandres gesagt.
    Später fand man, anläßlich einer Inspektion des Gefängnisses in Windhuk, im hölzernen Türpfosten einer Zelle den Spruch eingeschnitzt: Die Zeit der Erlösung ist nun gekommen.
    Dem Oberleutnant, der die Untersuchung leitete, sagte der befragte Missionar Wandres: Das genau ist das Problem, das Neue Testament ist so doppeldeutig.

    Ein Foto aus dem Jahre 1894 zeigt Missionar Wandres in Warmbad. Er steht auf einer Felldecke vor einer runden Hütte, einem Pontok aus Bastmatten. Vor ihm, auf einer Bank, über deren Rückenlehne drei Leopardenfelle gelegt sind, sitzt seine Frau zwischen zwei Männern. Links sitzt ein bärtiger Mann, der das (wahrscheinlich rotblonde Haar) kurzgeschoren trägt und seinen Tropenhelm neben sich auf den Boden gelegt hat. Er ist der Schwiegersohn von Dr. Schreiber, dem Inspekteur der Rheinischen Mission, der im schwarzen Anzug, seinen Tropenhelm im Arm, rechts sitzt, mit einem blassen ernsten Gelehrtengesicht. Anders hingegen Wandres, der, braungebrannt mit einem langen schwarzen Vollbart, breitschultrig und großgewachsen, eher einem sonntäglich gekleideten Bauern oder Holzfäller ähnelt. Frau Wandres hat ihre Hände über der weißen Rüschenschürze im Schoß zusammengelegt und trägt, vermutlich extra für diese Aufnahme, einen mit künstlichen Blumen dekorierten Hut. Ihr Gesicht ist verkniffen, hart, fast brutal blickt sie in die Kamera. Im Hintergrund stehen zwei Hottentotten, zerlumpt, aber europäisch gekleidet. (In Deutschland veranstalten die Kirchen aller Konfessionen Altkleidersammlungen für die Eingeborenen in den deutschen Kolonien. Sie sollten menschenwürdig aussehen.)

    Ein eingeborener Schulmeister namens Johannes Dausab will Stürmann im März auf dem Weg nach Rehoboth getroffen haben und mit ihm einige Tage gewandert sein. Ihm fiel auf, daß Stürmann fast alle seine Reden mit dem Satz endigte: Die Zeit der Erlösung ist nun gekommen.
    Als Dausab, der auf einer Missionsschule erzogen worden war, erwiderte, er wisse nur von einer Erlösung, nämlich jener durch den Herrn Jesus Christ, da antwortete Shepperd Stürmann: Nein, ich meine die Erlösung für das Namavolk.
    Dausab, der auch später während des Aufstandes seinen deutschen Herren treu ergeben blieb, wurde sein Begleiter langsam unheimlich, da dieser, wo immer sie auf Hottentotten stießen, sogleich zu reden anfing, als stünde er auf feurigen Kohlen, worauf sich schnell Aufläufe bildeten, während er von der Ungerechtigkeit dieser Welt sprach und daß die meisten Weißen die Kirche Christi mißbrauchten wie die Händler und Wucherer den Tempel, aus dem sie Jesus Christus dann aber vertrieben habe. Das Gesetz des Herrn ist heilig, wie es uns die Bibel verkündigt, daß in den

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