Morenga
Kinder und später ihre Enkel sie mit Bitten bestürmten, etwas über Afrika erzählt, sie sagte dann nur, es gäbe nicht viel zu erzählen, das Land sei leer und öde.
Am zweiten Tag nach der Abreise aus der Werft hatte Gorth das sonderbare Gefühl, als sei sein Schädel für dieses Land zu klein geworden. Diese schmerzhafte Ferne schien darin keinen Platz mehr zu finden. Erstmals seit seiner Abreise fühlte er sich schlapp und zuweilen auch schwindlig. Er schob das auf die stechende Sonne und auf die Hitze, unter der sogar das Felsgestein ächzte. Da Gorth in seinem Reisegepäck keinen Hut mitführte, knotete er sich aus einem großen weißen Schnupftuch ein Häubchen. So stapfte er allein, nachdem sich Lukas ein Herz gefaßt und darum gebeten hatte, auf dem Wagen sitzen zu dürfen, dem Gespann voraus, das weiße Taschentuch wie einen Verband um den Kopf.
Abends erreichten sie eine Wasserstelle. Die Ochsen, die seit zwei Tagen nicht gesoffen hatten, gierten der warmen Pfütze entgegen. Nachdem sie gesoffen und Bäuche wie Tonnen hatten, grasten sie neben dem Feuer, das Petrus gemacht hatte. Die drei Männer saßen schweigend herum, rauchten und tranken. Später ging Gorth zu dem Roten Afrikaner, der abseits wiederkäuend im Gras lag, die Beine angezogen. Gorth legte sich zu ihm.
Es ist nun schon lange her, und der Rote Afrikaner ließ kreisend seine Kiefer mahlen, da kamen weiße Männer aus Holland nach Afrika, dort wo im Süden das Land zu Ende ist, und sie töteten und verdrängten mit großen Feuerrohren die dort lebenden Nama, denn die hatten nur eiserne Assegaien. Da zogen die Nama nach Norden über den wasserreichen Oranje, töteten und verdrängten mit ihren eisernen Assegaien die dort ansässigen Buschmänner, die nur steinerne Messer hatten. Da aber das Land, das die Nama erobert hatten, wenig Regen und wenig Quellen hatte, konnten sie keine großen Herden halten. Also zogen sie weiter nach Norden, wo die Rinderfreunde, die Herero, lebten mit ihren gewaltigen Herden, in satten Weiden und mit starkem Wasser. Sie sind die Freunde der Rinder, halten uns in Ehren und nehmen von unserem Fleisch nur das, was sie benötigen. Die Rinder sterben dort friedlich im Alter. Einige aber dürfen nicht angetastet werden, das sind die heiligen Rinder, die im Ahnenfeuer stehen. Auch die Weißmäuhge, meine Urahnin, stand an diesem Feuer, und das kam so. Eines Tages glaubte der junge Häuptling Zeraua, es sei auch für seinen Stamm wichtig, ein Gewehr zu besitzen. Also machte er sich auf den Weg zu einem englischen Händler namens Lewis und tauschte achtzehn Ochsen gegen ein Gewehr, Kugeln und Pulver. Er ließ sich von dem Händler erklären, wie er das Gewehr abzuschießen habe. Auf dem Weg zurück zu seinem Kraal entdeckte er einen großen Geier, der auf einem toten Rind saß. Da lud er sein Gewehr und schoß auf den Vogel und traf ihn mit dem ersten Schuß. In seiner Freude darüber schnitt er dem toten Vogel eine Zehe ab und band sie in seiner Hütte an eine Kalebasse und bestimmte, daß die Milch aus dieser Kalebasse nur von ihm und seinen Freunden getrunken werden dürfe. Danach wählte er aus seiner Herde eine Kuh aus, deren Milch für diese Kalebasse bestimmt sein sollte. Diese Kuh nannte er die Weißmäulige. So kam die Weißmäulige in die unantastbare Herde des heiligen Ahnenfeuers. Dort stand sie und wurde gemolken, bis das Jahr des verletzten Armes kam. Jonker Afrikaner hatte sich auf einer Löwenjagd den Arm verletzt und konnte ihn nicht mehr recht gebrauchen. In diesem Jahr raubte Jonker Afrikaner den Herero ihre Rinderherden, denn er mußte seine Schulden an einen englischen Händler namens Morris bezahlen. So kam die unantastbare Herde in die Hände des Händlers und mit ihr die Tochter von Weißmaul, Langquaste. Morris trieb die Herde nach Kapstadt zum Schlachthof. Unterwegs aber gab er Langquaste dem Häuptling von Rehoboth, damit die Herde auf der Weide des Stammes sich für den langen Weg satt fressen konnte. Der Häuptling von Rehoboth aber tauschte Langquaste gegen eine Handvoll Pulver an den alten Saans, der im Rat der Bondelzwarts sitzt, und der alte Saans tauschte den Sohn von Langquaste gegen eine Flasche Honigbier an den Frachtfahrer Petrus. So kam ich ins Joch.
Nachts ritt Gorth im Traum auf einer Kuh durch eine baumlose Steppe. Ein wohliges Schaukeln über eine Landschaft, die wie ein Flußbett gerippt war. Da kam er in eine Schlucht. Beiderseits ragten die Felsen hoch über ihn in den
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