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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Himmel, und oben schien die Sonne als schwarze Scheibe. Plötzlich sah er in dem Hohlweg eine Gestalt auf sich zukommen. Der Weg wurde so eng, daß die Felsen seine Beine streiften. Die Gestalt war in einen schwarzen Mantel gekleidet und trug einen schwarzen Hut. Er wußte nicht, wie er an dieser Gestalt vorbeikommen sollte. Als die Gestalt vor ihm stand, blickte er, sich von der Kuh hinunterbeugend, unter die Hutkrempe und erschrak: Er blickte sich selbst ins Gesicht.
    Am Morgen fragte Petrus, ob sie nicht einen kleinen Umweg machen könnten, da in der Nähe eine Werft liege, in der seine Bruderschwester wohne. Gorth willigte sogleich ein, ohne nach der Länge des Umwegs zu fragen. Er war auch dann noch damit einverstanden, als ihm Lukas berichtet hatte, daß sich in dieser Werft schon einmal ein Missionar aufgehalten habe, sie auch regelmäßig von weißen Händlern besucht werde.
    Als der Ochsenwagen nach drei Tagen die Werft erreichte, warteten schon die Einwohner am Weg. Aber welche Enttäuschung breitete sich aus, als der vorantappende Fremde näher kam und man sein Gesicht erkennen konnte. Die Gerüchte hatten schamlos übertrieben. Nur mit bestem Willen konnte man in dem Gesicht unter diesem merkwürdigen weißen Verband mit vier Zipfeln eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Schaf sehen. Trotzdem war die Begrüßung herzlich. Gorth entging es selbstverständlich nicht, daß ihm hier nicht, wie in früheren Fällen, eine überschwengliche, ja enthusiastische Begeisterung zuteil wurde. Sie hatten noch nicht einmal die ersten Pontoks erreicht, da wurde Gorth schon von den Kindern angebettelt: Lakritze, bitte, Gott vergelt’s. Sie wiederholten diesen einen Satz in Deutsch ohne jede sinngemäße Betonung.
    Der Missionar, der sich in dieser Werft vor einem Jahr zwei Monate lang aufgehalten hatte, trug den Spitznamen Lakritzapostel. Er hatte aus Deutschland eine Kiste mit Lakritzstangen mitgebracht, nachdem er gelesen hatte, daß die Kinder der Hottentotten besonders gern Lakritze essen. In der Mittagszeit war in der Kiste ein zähflüssiger schwarzer Brei, am Morgen, nach der kühlen Nacht, war es ein kleiner harter Teerblock. Und am Morgen pflegte der Lakritzapostel denn auch mit einem Messer kleine Stücke aus diesem Lakritzblock abzustoßen und an die Kinder zu verteilen.
    Die Männer aus dem Rat baten Gorth, der apathisch im Schatten des Wagens saß, der Werft einen Missionar oder wenigstens einen Lehrer zu schicken, damit sie die Schuldscheine lesen könnten, die sie beim Händler unterschreiben müßten.
    In Gorths Kopf war ein beständiges Dröhnen. Dieses Dröhnen hörte er auch, als er versuchte, sich in ein Gebet zu versenken.
    Nach zwei Tagen brachen sie auf Drängen von Lukas wieder auf. Die Einwohner der Werft verabschiedeten sie freundlich. Bei der Mittagsrast entdeckte Gorth, daß man ihm seine Jagdbüchse gestohlen hatte. Auch zwei Töpfe fehlten und ein kleiner Sack mit Saatbohnen.
    Petrus schlug vor, umzukehren und die gestohlenen Sachen vom Stamm zurückzuverlangen. Aber Gorth hob nur kurz die Hand und ließ sie wieder fallen.
    Am 22. Dezember wälzte sich eine schwarze Wolkenbank über die Ebene. Gegen Mittag stürzte ein Wasservorhang vom Himmel.
    Sie hatten ihr Lager auf einem sanft abfallenden Hügel aufgeschlagen. Auf einem gegenüberliegenden kahlen Hügel stand ein einzelner Baum. Ein dicklich glatter Stamm, zwei ebenfalls dickliche Äste, unbelaubt. Allein auf den Spitzen standen Blütenbündel. Ein Halbmensch, sagte Lukas.
    Gorth schwitzte und fror zugleich. Ihm war, als ersticke er unter diesen Wassermassen, obwohl er vor dem prasselnden Regen geschützt im Zelt lag.
    Drei Tage hielt der Regen an.
    Am Heiligen Abend war das Dröhnen in Gorths Kopf nur noch ein Brummen. Er wollte eine Christmette abhalten und bat Petrus und Lukas, dafür das Klavier aus dem Wagen zu heben. Die beiden konnten den gewaltigen Kasten zwar an-, aber nicht hinunterheben, es sei denn, sie hätten ihn fallen lassen. Da predigte Gorth vom Wagen herunter: Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend. Und alsobald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobeten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!
    Petrus und Lukas knieten im Regen vor dem Wagen.
    Gorth setzte sich an das Klavier. Er sang: Uns ist ein Ros entsprungen. Er versang sich mehrmals, konnte auch den Ton nicht

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