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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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so laut sprechen mußte, schließlich neben ihm. Als der Rote Afrikaner geendigt hatte, wollte Gorth aus dem Evangelium des Lukas etwas Tröstendes zitieren: Verkauft man nicht fünf Sperlinge um zween Pfennige? Noch ist vor Gott derselbigen nicht einer vergessen. Der Rote Afrikaner, der sich gerade wieder kräftig ins Zeug legen mußte, antwortete schweratmend: Monatelang haben wir einen Missionar gezogen, der predigte den Hottentotten folgenden Satz: Auch sind die Haare auf eurem Haupt alle gezählet. Darum fürchtet euch nicht, denn ihr seid besser denn viele Sperlinge. In eurem Himmel haben die Tiere keinen Platz. Danach sprach der Rote Afrikaner nichts mehr, allerdings mußten auch alle zwanzig Ochsen schwer ziehen, da es einen steinigen, mit ausgewaschenen Rinnen gefurchten Hang hinaufging. Petrus war aufgewacht und ließ seine Zunge schnalzen wie eine Nilpferdpeitsche.
    Später, Gorth war schon tot, erreichten seine Verlobte Briefe, die monatelang unterwegs gewesen waren. Briefe mit einem wirren Inhalt. So schrieb Gorth in einem der letzten, er habe endlich die Sprache der Ochsen erlernt.
    In der Missionsgesellschaft gab es Leute, die später behaupteten, Gorths Verwirrung sei auf seine Starrköpfigkeit zurückzuführen, auch bei glühender Hitze und stechender Sonne ohne Hut herumzulaufen. Andere wiederum erzählten, allerdings unter dem Siegel der Verschwiegenheit, Gorth habe zuletzt Dagga geraucht. Die gefährliche Wirkung dieses Rauschmittels sei ja hinlänglich bekannt. Viele Eingeborene hätten nach dem übermäßigen Genuß des berauschenden Hanfes den Verstand verloren, ja, es seien Fälle mit tödlichem Ausgang bekanntgeworden. Anbau und Genuß von Dagga müßten unbedingt von Seiten der Missionare bekämpft werden. Allerdings müßten diese so charakterstark sein, daß sie nicht selbst dieser Sucht erlägen.
    An einem staubigheißen Dienstag war Gorths Verlobte in Pella angekommen. Dort erreichte sie der letzte Brief ihres Bräutigams. Ein Brief, den sie nach dem Lesen sogleich verbrannt hat. Über den Inhalt ist nie etwas bekanntgeworden. Sie bestand aber darauf, schon am nächsten Tag weiterzureisen. Da in den nächsten drei Wochen kein Ochsengespann nach Warmbad ging, mußte sie einen Reitochsen besteigen, und sie machte sich in der Morgendämmerung, begleitet von einem Hottentotten als Führer, auf den Weg. Eine Frau wie ein Mann (A woman like a man) soll der englische Missionar zu seinem deutschen Kollegen gesagt haben, als man Gorths Verlobte verabschiedete und sie aus der Missionsstation hinausritt. Dem Ochsen hing ihr Kleid wie eine Schabracke mit Rüschen über Hals und Rücken. Unter ihrem Kleid trug sie hochhackige, geknöpfte Lackstiefel. Auf dem Kopf einen dunkelblauen Samthut, an den zwei Stoffmargeriten genäht waren. Sie hatte den Hut, da ein scharfer Südwest lange Sandfahnen vor sich hertrieb, mit einer Hutnadel an ihrem hochgebundenen dunkelblonden Zopf festgesteckt.
    In der Nähe von Ramansdrift wollte sie der Hottentotte über den Oranje führen, als ihnen der Händler Morris entgegenkam und erzählte, er habe in Warmbad gehört, daß Gorth gestorben sei.
    Daraufhin kehrte sie um und ritt nach Pella zurück. Die Missionare schickten einen vertrauenswürdigen Boten nach Warmbad, der genaue Erkundigungen einholen sollte. Der Bote traf in Warmbad auf den Frachtfahrer Petrus, der ihm erzählte, Missionar Gorth sei im Feld gestorben, an einem rätselhaften Fieber, einem Landesfieber, wie später die Missionsgesellschaft schrieb. Der Missionar habe Bethanien nicht mehr gesehen, allerdings habe er, Petrus, gemeinsam mit einem Mitglied aus der Gemeinde Bethanien, einem gewissen Lukas, den toten Missionar in Ochsenhäute eingenäht und dann nach Bethanien geschafft, wo er jetzt begraben liege.
    Gorths Verlobte entschloß sich, so bald wie möglich nach Kapstadt zu fahren, um von dort mit dem nächstbesten Schiff nach Deutschland zurückzukehren. Sie ließ sich auch von dem englischen Missionar nicht aufhalten, der sie bat, in Pella zu bleiben und, nach einer durch den Todesfall gebotenen Zeit, seine Frau zu werden.
    Während der Rückreise auf der Viermastbark »Erna« lernte sie den Präparator Schröder kennen, der vier Jahre in Kapstadt für den englischen Gouverneur gearbeitet hatte. Die beiden heirateten ein Jahr später in Coburg, der Vaterstadt Schröders, wo er ein Geschäft eröffnet hatte und für den Herzog von Coburg Jagdtrophäen ausstopfte. Seine Frau hat nie, auch wenn ihre

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