Morenga
bekannt, sich verspätet und den Westzugang zum Großen Karrasgebirge, die Krai-Kluft, schon besetzt gefunden. Damit konnte der Zugang in das Große Karrasgebirge von den Aufständischen nicht gesperrt werden, und Morengas Plan, die gesamte deutsche Südabteilung zu schlagen, brach zusammen. Während sich die Abteilung Kamptz anschickte, die Geschütze und Maschinengewehre zu zerlegen, um die Teile auf Maultieren und Eseln zur Hochebene transportieren zu können, ließ Stürmann das trockene Steppengras anzünden. So wollte er den Vormarsch der deutschen Truppen aufhalten. Wenig später drehte jedoch der Wind und trieb das Feuer in südöstliche Richtung. Eine meterhohe Feuerwand wälzte sich über die Steppe. Noch in der darauffolgenden Nacht war der südöstliche Horizont in seiner ganzen Breite rot gefärbt. Ungestört drangen die Deutschen auf der Hochebene des Gebirges vor, in Richtung der Narudasschlucht, bis sie von dort Kanonendonner hörten. Zwei Kompanien sollten im Eilmarsch in diese Richtung vorstoßen. Als die Meldung durchkam, daß die Deutschen schon im Rücken auftauchten und damit die Gefahr bestand, von der Übermacht eingekreist zu werden, versuchte ein Teil der Aufständischen, Frauen, Kinder und Vieh nach Norden in Sicherheit zu bringen. Hauptmann v. Koppy, der durch den nahen Kanonendonner im Osten hörte, daß dort die Abteilung Kamptz vordrang, gab gegen 4 Uhr nachmittags den Befehl zum Sturm. Die Hottentotten zogen sich langsam zurück, wobei Morenga im klippenreichen Gelände immer wieder hielt und zähen Widerstand leistete, damit das Vieh abgetrieben werden konnte, dessen Gebrüll aus der Schlucht herüberschallte. Die Flucht wurde panikartig, als vom Norden die Artillerie der Abteilung Kamptz in die Schlucht schoß. Dennoch konnten die Aufständischen entkommen, wenn auch unter Verlust eines großen Teils ihres Viehs. Fünfzig Pferde, siebenhundert Rinder und siebentausend Stück Kleinvieh wurden erbeutet. Auch einige Frauen und Kinder wurden von den Deutschen gefangengenommen.
Das war das Ergebnis dieser Operation im Großen Karrasgebirge: Die Aufständischen waren zwar vertrieben worden, aber nicht, wie General v. Trotha es befohlen hatte, vernichtet.
Was sich schon bei der Vertreibung der Witboois aus ihrem Land gezeigt hatte, sollte sich auch jetzt wieder bestätigen: Die Aufständischen wurden durch den Verlust ihres Viehs und ihrer Werften mobiler, unabhängiger und kämpften in kleineren Gruppen. Deimling mußte das mit seiner Abteilung schon auf dem Rückmarsch nach Keetmannshoop erfahren, als die Truppe mehrmals von kleineren Guerillaeinheiten angegriffen wurde und es zahlreiche Tote und Verwundete auf deutscher Seite gab. Morenga selbst wurde bei einem dieser Gefechte durch einen Schuß in die Hüfte schwer verletzt.
Oberst Deimling wurde unmittelbar nach der Rückkehr in Keetmannshoop abgelöst und trat schon am 2. April die Heimreise an. Von einem Sieg bei dieser Unternehmung zu sprechen, verbot allein schon die Vernichtung der Abteilung Kirchner. Und erst im nachhinein erkannte man, daß der Erfolg Deimlings bei der Vertreibung der Aufständischen nicht seinem strategischen Geschick und auch nicht der Schlagkraft der deutschen Truppen zu verdanken war, sondern einem zeitlichen Zufall. Die gesamte Südabteilung war nur knapp einer militärischen Katastrophe entgangen.
Es gab Schutztruppenoffiziere, die allen Ernstes behaupteten, Morenga habe Clausewitz studiert. Es wäre zumindest nicht unmöglich gewesen. Morenga sprach neben Nama, Herero, Kapholländisch und Englisch auch Deutsch, und zwar fließend.
Es gibt eine Fotografie, die ihn mit seinen Unterführern zeigt. Wann sie entstanden ist, läßt sich leider nicht ermitteln, möglicherweise kurz vor der Großoffensive der Deutschen im Großen Karrasgebirge. Die Fotografie ist in ihrer Qualität leider schlecht, unscharf und überbelichtet. Sie erinnert an jene Bilder, die es von Che Guevara aus dem bolivianischen Urwald gibt, grell in dem Schwarzweißkontrast. Die Gruppe steht aufgereiht in einer Steppenlandschaft. Vier Mann zur Rechten und vier Mann zur Linken von Morenga, die er alle um Haupteslänge überragt. Alle blicken, soweit man das erkennen kann, ernst unter ihren breitkrempigen Hüten in die Kamera. Es sind erbeutete Schutztruppenhüte. Dazu tragen sie, was man im Militärjargon damals Räuberzivil nannte: Jacketts, darunter – zumindest Morenga – eine Weste, dazu weiße Hemden (wahrscheinlich aus
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