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Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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herrschte Stille. Er mußte erst wieder zu Atem kommen und neigte sich ein wenig vor, dann hob er den Kopf, um die Männer im Auge zu behalten.
    Sie kümmerten sich um Roh, versuchten ihn wieder ins Bewußtsein zu holen. Morgaine ließen sie in Ruhe; ihre Fußgelenke waren gefesselt wie die seinen, mit dem Rücken lehnte sie an einem Felsblock. Ihr Blick war so sanft wie der einer Wölfin.
    Ein Bandit hielt
Wechselbalg
in der Hand und zog die Klinge halb heraus, was Morgaine voller Interesse beobachtete, als fordere sie den Mann wortlos auf, seine Wahnsinnstat zu vollenden.
    Aber schon kamen Reiter den Hügel herauf. Das Schwert wurde schuldbewußt wieder in die Scheide gestoßen. Die Banditen warteten ab; Reiter erschienen hinter ihnen auf der Lichtung, die Pferde bliesen helle Wolken ins Sternenlicht.
    »Gut gemacht«, sagte Chya Liell.
    Er stieg ab und sah sich auf der Lichtung um; einer seiner Leute präsentierte ihm die Beutestücke: Morgaines Ausrüstung und
Wechselbalg,
den Liell mit respektvollen, aber eifrigen Händen entgegennahm.
    »Chans Werk«, sagte er und machte vor Morgaine eine ironische Verbeugung. Dann betrachtete er Roh, der allmählich wieder zu sich kam, und lachte erfreut, denn er und der junge Lord von Chya waren alte Feinde.
    Schließlich kam er zu Vanye, der angewidert erschauderte, als Liell vor ihm niederkniete, ein herablassend-gnadenloses Lächeln aufsetzte und ihm wie einem alten Freund die Hand auf die Schulter legte, ein wenig zu besitzergreifend.
»Ilin
Nhi Vanye i Chya«, sagte er leise. »Geht es dir gut, Nhi Vanye?«
    Vanye hätte ihn am liebsten angespuckt: etwas anderes konnte er in seiner Lage nicht tun. Aber sein Mund war zu trocken. Ein Leth hielt ihn von hinten am Kragen, daß ihm fast die Luft wegblieb, er konnte nicht einmal zurückweichen. Liells weiche Finger streichelten eine wunde Stelle an seiner Schläfe.
    »Geht vorsichtig mit ihm um«, sagte Liell zu den Leth. »Jeder Schaden, jede Unannehmlichkeit, die er erleidet, wird bald die meine sein – dann zahle ich sie euch heim.«
    Er richtete sich auf.
    »Setzt sie auf die Pferde. Wir haben einen Ritt vor uns.«
    Der Tag näherte sich der Dämmerung, die dichte Schneedecke vor den Pferden spiegelte bereits das Abendrot. Wegen der Unberittenen und der dünnen Luft kamen sie nur langsam vorwärts. Liell bildete die Spitze. Er hatte seinen Schwarzen und seine Sachen wieder in Besitz genommen.
    Wechselbalg
hing unter seinem Knie am Sattel.
    Mehrere Lethreiter befanden sich zwischen Vanye und Morgaine, zwei Männer führten Siptah am Zügel, zwei weitere das Pferd, das man Roh geliehen hatte, der selbst nicht mehr gehen konnte; die schwarze Stute, auf der Vanye saß, war ihm mit zynischer Höflichkeit von Liell überlassen worden – im Austausch für das Tier, das er gestohlen hatte.
    Er war gefesselt – nicht nur an den Händen, sondern sogar an den Füßen, unter dem Bauch der Stute hindurch – und konnte weder die Beine strecken und so die Anstrengung des Ritts mindern, noch Morgaine irgendwie helfen. Sie und Roh waren nicht besser dran. Roh hing die meiste Zeit vornübergebeugt im Sattel; es sah so aus, als wäre er ohne Fesseln längst vom Pferd gefallen. Wenigstens schien Morgaine unverletzt zu sein, wenn er sich auch vorstellen konnte, in welchem inneren Aufruhr sie sich befinden mußte.
    Liell war
qujal
und kannte die alten Wissenschaften. Vielleicht vermochte er sogar die Runen auf
Wechselbalg
zu lesen – damit hätte Thiye, den Morgaine unwissend genannt hatte, ein ahnungsloser Benutzer des alten Wissens, einen unbesiegbaren Rivalen gewonnen.
    Sie ritten wieder unter Bäumen – Pinien, dazwischen Unterholz, zuweilen ragten schwarze Felsformationen auf. Allmählich begannen die Bäume zu verkümmern: ihre Äste reckten sich bizarr, das Wachstum schien gehemmt zu sein; sie erinnerten kaum noch an ihre natürliche Form. Kahle Äste hielten braun gewordene Nadelbüschel, nackte Stämme waren Symbole einer schrecklichen, zum Stillstand gekommenen Evolution.
    Dann sahen sie im Schnee einen toten Drachen.
    Zumindest hatte es den Anschein – ein verdreht daliegendes ledriges Objekt, vor dem die Pferde zurückscheuten. Ein monströser Anblick, im Todeskampf erstarrt und deshalb besonders abscheulich. Ein membranenbespannter Flügel war noch halb geöffnet, steif und nackt. Die andere Seite bestand aus kahlen Knochen, von Aasfressern abgenagt.
    Die Leth machten einen großen Bogen um das tote Wesen. Vanye starrte im

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