Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Grasnarbe, zu unsicher, um es loszulassen. Sie setzte sich, die Zügel im Schoß haltend, und blieb erschöpft den übrigen fern; sie schien vor allen und allem Angst zu haben.
»Laß die Zügel los«, sagte Vanye zu ihr. »Die Stute bleibt stehen, solange andere Pferde dabei sind; sie ist zu weit gelaufen, um noch auszurücken.«
Und er streckte die Hand aus, sie herüberbittend; Jhirun kam der Aufforderung nach und sank auf den kahlen Boden, die Arme um die Knie gelegt, den Kopf gesenkt. Morgaine bemerkte ihre Gegenwart, ein desinteressierter Blick, mit dem sie genausogut ein Pferd hätte ansehen können. Vanye lehnte sich gegen einen Felsen, in seinem Kopf pulsierte die Müdigkeit und die Überzeugung, daß die Erde noch mit reitender Bewegung unter ihm schwankte.
Er wagte nicht zu schlafen. Er beobachtete die Halblinge aus fast geschlossenen Augen, bis er wieder ein wenig zu Atem gekommen war und sein Durst unerträglich wurde.
Er stand auf, ging zu seinem Pferd, nahm die Wasserflasche, die am Sattelknauf hing, und trank, wobei er die
qujal
im Auge behielt, die sich aber nicht rührten. Dann schlang er sich die Flasche über die Schulter und kehrte zurück, nicht ohne vorher das unförmige Deckenbündel von Jhiruns Sattel zu lösen.
Er warf das Bündel an die Stelle, an der er gesessen hatte, um es richtig zu schnüren; und reichte Morgaine die Flasche, die sie dankbar nahm und daraus trank und an Jhirun weitergab.
Einer der
qujal
bewegte sich; Vanye drehte sich, die Hand auf dem Schwertknauf, und sah, daß einer der Burgwächter aufgestanden war. Der
qujal
kam auf sie zu, er bewegte sich vorsichtig und mit grimmigem Gesicht und wandte sich an Jhirun, die die Wasserflasche hielt. Fordernd streckte er die Hand danach aus.
Jhirun zögerte, schaute sich nach Direktiven um; und Vanye nickte mürrisch und sah zu, wie der Halbling die Flasche ergriff und zu Kithan brachte. Der Halbling-Lord trank nur wenig, gab dann das Gefäß seinen Männern weiter, die nacheinander ihren Durst stillten.
Dann brachte der Mann die Flasche zurück und reichte sie Vanye. Vanye stand stirnrunzelnd auf und deutete mit einem Kopfnicken zu Jhirun hinüber, der der Mann die Flasche abgenommen hatte. Er brachte sie ihr zurück und musterte Vanye dabei mit besorgtem Blick über die Schulter.
Und neigte den Kopf — eine Geste der Höflichkeit von einem
qujal.
Vanye erwiderte die Bewegung förmlich, ohne Verbindlichkeit.
Der Mann kehrte zu seinem Herrn zurück. Vanye packte den Ring an seiner Schulter, zog ihn zum Einhaken herab, setzte sich wieder zu Morgaines Füßen.
»Ruh dich aus«, bat er sie. »Ich wache.«
Morgaine wickelte sich in ihren Mantel, lehnte sich gegen die Felsen und schloß die Augen. Leise legte sich Jhirun nieder; diesem Beispiel folgten Kithan und seine Männer; der zerbrechliche
qujal-L
ord legte den Kopf auf die Arme und litt in seiner dünnen Hofkleidung wohl sehr unter dem Wind.
Es wurde still, in der ganzen Welt gab es nur noch das gelegentliche Schnauben der Pferde und das Seufzen des Windes in den Blättern. Vanye rappelte sich auf und stellte sich mit dem Rücken an einen massiven Felsen, damit er nicht, ohne es zu merken, einschlief. Einmal erwischte er sich mit geschlossenen Augen und begann mit weichen Knien hin und her zu schreiten, solange es sich ertragen ließ: weitaus besser als Morgaine war er es nach Art der Kurshin gewöhnt, im Sattel zu schlafen.
Aber es gab eine Grenze.
»Liyo«,
sagte er nach einer Weile voller Verzweiflung, und sie erwachte. »Wir könnten weiterreiten«, sagte er, und sie blickte ihn an, der vor Erschöpfung auf den Beinen taumelte, und schüttelte den Kopf. »Ruh dich aus«, sagte sie, und er warf sich auf die kalte Erde; die Welt schien sich noch immer im ewigen Rhythmus des Reitens zu bewegen. Er brauchte nicht lange zu schlafen, nur eine Weile, damit ihm die Schwere aus Rücken und Armen wich und das Dröhnen in seinem Schädel verstummte.
Jemand bewegte sich. Vanye erwachte im Schein der Sonne, stellte fest, daß die
qujal
wach waren und der Tag schon im Nachmittag stand. Morgaine saß wie zuvor da,
Wechselbalg
an die Schulter gelehnt. Als er zu ihr aufsah, lag in ihrem Blick eine neue Klarheit, eine klare, gelassene Vernunft, die ihn beruhigte.
»Wir reiten weiter«, sagte Morgaine, und Jhirun regte sich erwachend und stützte den Kopf in die Hände. Morgaine reichte ihm die Flasche; er nahm einen Mundvoll, schluckte den Trank mit einer Grimasse hinunter und
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