Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Sprache der Steine. Ich bin kein
qujal,
hatte Morgaine einmal betont, und er glaubte ihr, er wollte ihr immer noch glauben.
Doch als er Morgaines ungeduldiger Geste folgte und die Pferde sattelte, blickte er zu den beiden zurück, zu seiner hellhaarigen Herrin und dem hellhaarigen
qujal,
schlank und groß, in allen Punkten ähnlich; und es durchlief ihn ein Frösteln.
Jhirun, nach Menschenart dunkel, eine zarte Gestalt in Braun, rappelte sich auf, verließ die Gesellschaft und eilte zu ihm, als er eben die Zügel ihrer Stute ergriff und das Tier zur Straße führte. Dort warf er das von ihr geschnürte Bündel zu Boden, ging auf ein Knie nieder und rollte die Decken neu zusammen. Sie kniete sich neben ihn und begann ihm in fieberhaftem Eifer zu helfen, schließlich auch dabei, die getrennten Rollen an die drei Sättel festzumachen, außerdem den Proviant umzuverteilen und das Zaumzeug nachzuziehen.
Auch um den Sattel ihrer Stute kümmerte sich Vanye und sah nach, ob alles richtig saß, hing doch ihr Leben davon ab. Sie hielt sich an seiner Seite und wartete.
»Bitte!« sagte sie endlich und berührte ihn am Ellbogen. »Laß mich mit dir reiten. Ich möchte bei dir bleiben!«
»Versprechen kann ich dir das nicht.« Er wich ihrem Blick aus und schob sich an ihr vorbei, um sich seinem Pferd zuzuwenden. »Wenn die Stute schon nicht mithalten kann, wird sie doch dafür sorgen, daß die Hiua dich nicht einholen. Ich habe andere Verpflichtungen. Im Augenblick kann ich an nichts anderes denken.«
»Diese Männer — Lord, ich habe Angst vor ihnen. Sie ...« Jhirun sprach nicht zu Ende. Ihre Worte gingen in Tränen unter. Er blickte sie an und dachte an die Nacht, da Kithan seine Zelle besucht hatte, und an Jhirun, die klein und zerzaust zwischen den Wächtern hing, in ihren Dämonenmasken anonym wirkend. Sie hatten Jhirun ergriffen, nicht ihn.
»Kennst du diese Männer?« fragte er barsch.
Sie antwortete nicht, sondern starrte ihn nur hilflos an.
Schamröte ließ ihr Gesicht dunkel erscheinen; und er blickte von der Seite zu Kithans Diener hinüber, der sich ähnlich wie er um das Pferd seines Lords kümmerte. Insgeheim dachte er an die Strafe, die Kursh für solche Männer vorsah: immerhin waren Jhiruns Vorfahren
tan-uyin
gewesen, ehrenhafte, stolze Bürger — ein Umstand, den sie allerdings vergessen hatte.
Er hatte nicht die Freiheit, Jhiruns Streit aufzugreifen. Er mußte an seinen Dienst denken.
Er legte eine Hand über die ihre; sie fühlte sich klein, aber rauh an, die Hand eines Bauernmädchens, die harte Arbeit kannte. »Deine Vorfahren«, sagte er, »waren von hoher Geburt. Die Frau meines Vaters war eine Myya, sie schenkte ihm seine legitimen Söhne. Die Myya sind ein engstirniger Klan; sie nennen nur >ihren Herrn<, wen sie wirklich respektieren.«
Ihre Hand entzog sich der seinen und legte sich an ihre Brust, was ihn an ein kleines Goldamulett erinnerte, das er ihr einmal zurückgegeben hatte. Der Kummer, der in ihrem Blick gestanden hatte, verschwand und ließ etwas Klares und ganz und gar nicht Zerbrechliches zurück.
»Soweit wird die Stute nicht zurückbleiben, Myya Jhirun«, sagte Vanye.
Sie ließ ihn stehen. Er sah, wie sie sich am Straßenrand bückte, eine Handvoll glatter Steine auflas und sie im Aufrichten in ihr Wams schob. Dann nahm sie die Zügel der Stute und stieg in den Sattel.
Und plötzlich entdeckte er etwas hinter ihr, unten am Fuße des langen Hügels, eine dunkle Masse auf der Straße hinter dem Hügel, der sich wie ein Barrow-Grabmal an der Biegung erhob.
»Liyo!«
rief er, entsetzt über die verzweifelte Ausdauer der Menge, die ihnen zu Fuß folgte: Nicht um der Rache willen: wegen eines solchen Ziels würden sie wohl kaum einen so weiten Weg so entschlossen in Angriff nehmen ... sondern es ging ihnen um eine Hoffnung, eine letzte Hoffnung, die sich nicht auf Morgaine, sondern auf Roh gründete.
Es kamen Shiua und der Priester, der genau wußte, was Roh in Ohtij-in versprochen hatte und dann Fwar: Fwar ließ sich von Rachegefühlen leiten.
Morgaine stand neben ihm und blickte die Straße hinab. »Sie können nicht mit uns Schritt halten«, sagte sie.
»Das brauchen sie auch gar nicht«, sagte Kithan, und verschwunden war die schwere Zunge; Angst schimmerte durch die Glasigkeit seiner Augen. »Zwischen uns und Abarais stehen Streitkräfte, meine Lady Morgaine, und eine Armee wird von meinem Bruder kommandiert. Hetharu hat bestimmt jede Opposition niedergewalzt: er ist
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