Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
bei den Herren der Berge nicht beliebt. Aber um so wahrscheinlicher werden Streitkräfte in diesem Land in Bewegung sein. Dein Feind hat Kuriere losgeschickt: die Leute hier werden dich kennen, sie werden dich erwarten, und da sie verrückt sind, haben sie natürlich Interesse am Leben. Wir werden wohl feststellen, daß unser weiterer Weg sehr schwierig ist.«
Morgaine warf ihm einen verächtlichen Blick zu, nahm
Wechselbalg
von der Schulter und hakte ihn am Sattel fest, ehe sie den Fuß in den Steigbügel stellte. Vanye stieg ebenfalls auf und lenkte sein Pferd dicht an sie heran, ohne noch an die Masse zu denken, die ihnen folgte, oder an Myya Jhirun i Myya. Er schützte allein Morgaine, und wenn er sich dazu gegen drei Reisegefährten wenden mußte, so wollte er sich dadurch nicht abschrecken lassen.
Das Land öffnete sich vor ihnen, fruchtbar, mit schwerem Boden und reicher Ernte; dann endete es und öffnete sich wieder, kleine Flächen bebauter Erde, kaum breiter als ein oder zwei Felder zwischen steilen Hängen, und von Zeit zu Zeit ein kleiner Sumpf oder ein schilfgesäumter Teich.
Auf allen Seiten ragten gewaltige Klippen auf, eine Begrenzung des Himmels, die Vanye an anderen Tagen als angenehm empfunden hätte, ein Panorama ähnlich wie zu Hause; aber dies war nicht seine Heimat, und nirgends gab es einen Hinweis darauf, was sie erwarten mochte. Er blickte in die Spalten der verwitterten Felsen, in die Vertiefungen, vor denen oft Bäume und mannsgroße Ranken wuchsen, und erkannte, daß Kithan in wenigstens einer Hinsicht die Wahrheit gesagt hatte; abseits dieser Straße kam ein Reiter nicht durch; und wenn es im Gebirge anderer Pfade gab, was mit Bestimmtheit anzunehmen war, mußte auch der Benutzer in diesem Land geboren sein, um einigermaßen schnell voranzukommen.
Sie trieben die Pferde nicht an, die wie sie selbst ohne Schlaf und Rast auskommen mußten; Kithan ritt bei ihnen, die beiden Männer ein Stück zurück. Die Nachhut bildete Jhirun, deren braune Stute sich damit zufriedengab, mehrere Längen zurückzuhängen.
Und als sie am Abend eine der zahlreichen schmalen Stellen passierten, tauchten Steine an der Straße auf, von Menschen errichtet; und vor den bewaldeten Klippen in der Ferne stand ein Steindorf, ein ausgedehntes, unordentlich wirkendes Gewirr an der Straße.
»Wer wohnt hier?« wandte sich Morgaine an Kithan. »Auf den Karten war nichts eingezeichnet.«
Kithan zuckte die Achseln. »Davon gibt es viele. Das Land in dieser Gegend gehört den Sotharra; den Namen des Dorfes kenne ich aber nicht. Wir werden auf andere stoßen. Es sind die Bauwerke von Menschen.«
Ungläubig sah Vanye den Halbling-Lord an und sagte sich, daß er wohl die Wahrheit sprach, daß sich ein Lord von Shiuan wohl nicht die Mühe machte, die Namen von Dörfern zu behalten, die in Reichweite seines Landes lagen.
Morgaine fluchte und ließ ihr Pferd auf der Straße anhalten, wo die Bäume und Felsen einen letzten Schutz boten. Eine Quelle entsprang neben der Straße, dicht bei den Bäumen. Sie ließ Siptah saufen, stieg ab, kniete ein Stück stromaufwärts nieder und trank aus ihrer Hand. Die
qujal
folgten ihrem Beispiel, selbst Kithan trank aus dem Bach wie ein gewöhnlicher Bauer; und Jhirun ritt herbei und warf sich von der Stute ans kühle Ufer.
»Wir ruhen eine Weile aus«, sagte Morgaine. »Vanye ...«
Er nickte, stieg aus dem Sattel und füllte die Wasserflaschen, während Morgaine ihm den Rücken freihielt.
Und während sie die Pferde zu Atem kommen ließen und von den geringen Vorräten zehrten, behielt Morgaine oder er die Gefährten im Auge; langsam nahm die Dämmerung zu, und die Nacht brach an.
Jhirun hielt sich in der Nähe, an Morgaines Seite oder dicht bei Vanye. Sie saß meistens stumm im Sattel und flocht ihr langes Haar zu einem langen Zopf, den sie mit einem Streifen aus ihrem gefransten Rock zusammenband. Und ihr Auftreten wirkte irgendwie verändert, der Ausdruck ihres Gesichts, die Direktheit ihres Blickes — Dinge, die man vorher nicht an ihr bemerken konnte. Sie setzte sich zu ihnen, als gehörte sie dazu: Vanye begegnete ihrem Blick, dachte daran, wie sie sich bei Fwars Überfall im Stall verhalten hatte, und sagte sich, daß er aufpassen müßte, wäre er mit Myya Jhirun i Myya verfeindet. Ein Krieger des Myya-Klans, eingeengt durch Verhaltens- und Ehrenregeln, war ein übler Gegner; Jhirun jedoch wußte nichts von solchen Beschränkungen.
In der Dunkelheit starrte sie in erster
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