Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Stimme brach, und er neigte den Kopf tief gegen den Sattel. Als er sich wieder aufrichtete, mochten Tränen in seinen Augen schimmern.
Morgaine musterte ihn lange und eingehend.
Dann ritt sie wortlos an ihm vorbei, auf das Tor zu, in dem die gefiederten Schnüre sinnlos vom Wind bewegt wurden. Vanye wartete ab, bis Jhirun gewendet hatte, und ließ auch Kithan vorausreiten. Er spürte ein Kribbeln zwischen den Schultern, geboren aus dem Empfinden, daß sie aus den Ruinen vielleicht beobachtet wurden — denn irgend jemand hatte die Schnüre ja gespannt und das Tor vor schädlichen Einflüssen zu versiegeln versucht, jemand, der Angst hatte und der menschlicher Herkunft war.
Doch kein Angriff kam. Sie sahen nur erschrockene Vögel aufflattern und hörten das Flüstern des Windes zwischen den Ruinen. Sie passierten das Tor auf der abwärts geneigten Straße, langsam reitend, lauschend.
Und Vanye beobachtete den
qujal-
Lord, der vor ihm ritt, den Kopf gesenkt, sich den Bewegungen hingebend. Kithan hatte nun keine Alternative mehr — er hatte nicht die Fähigkeit, in der Wildnis zu überleben, in die Shiuan sich verwandelt hatte, er war hilflos ohne seine Bediensteten, die ihn versorgten, und seine Bauern, die ihn ernährten ... und jetzt auch ohne schützende Zuflucht.
Da wäre die Schwertschneide schon angenehmer,
dachte Vanye und kam damit auf einen Gedanken zurück, den Roh ihm gegenüber geäußert hatte; er dachte es, ehe er sich bestürzt erinnerte, wer ihm das gesagt hatte und daß die Äußerung zutraf.
Als sie die Straße erreichten, erhöhte Morgaine das Tempo. »Los!« brüllte Vanye dem Halbling zu, schlug Kithans Pferd mit der Flachseite der Klinge und löste damit einen kurzen erschrockenen Galopp aus. Sie bogen in nördlicher Richtung auf die breitere Straße ein und ritten langsamer, als sie nicht mehr in Bogenschußweite der Mauern waren.
Aus einem plötzlichen Impuls heraus blickte Vanye zurück und sah auf Sotharrns Mauern eine braune gekrümmte Gestalt, und eine zweite und eine dritte — zerlumpte Beobachter, die in den Schatten verschwanden, als sie merkten, daß man sie gesehen hatte.
Greise, die einsam zurückblieben, während die Jungen von der Woge mitgerissen wurden, die sich Abarais näherte: die Jungen, die dem Leben zugewandt waren, die töten würden, um zu überleben, wie die Horde, die weiter hinten nachfolgte.
Hinter Sotharrn zeigte das Land mehr Spuren der Gewalt, Felder und Grasland an der Straße waren wie durchgemahlen, als reiche die Straße selbst nicht mehr aus, die nach Norden strömenden Massen zu halten. Spuren von Männern und Pferden zeichneten sich deutlich neben dem Weg im Schlamm ab.
»Die Spuren stammen aus der Zeit nach dem Regen«, sagte Vanye zu Morgaine, die Knie an Knie neben ihm ritt — hinter Jhirun und Kithan.
Er versuchte ihr damit Hoffnung zu geben; doch sie runzelte nur die Stirn und schüttelte den Kopf.
»Mag sein, daß Hetharu sich hier etwas Zeit gelassen hat«, sagte sie leise. »Seine Streitmacht hat sicher ausgereicht, um mit Sotharrn fertig zu werden. Doch an Rohs Stelle hätte ich mich durch eine solche unschöne Sache nicht aufhalten lassen, wenn es nicht unbedingt sein mußte: ich wäre nach Abarais weitergeritten. Und ist er einmal da, kann ihm keine Feste mehr widerstehen. Ich würde zu gern wissen, wo Hetharus Armee steht; doch wo sich Roh aufhält, dürfte leider ganz klar sein.«
Vanye dachte über ihre Worte nach; weiter in die Zukunft zu denken, war nicht gut. Statt dessen richtete er seine Gedanken auf Kräfte, die er verstehen konnte. »Hetharus Armee«, sagte er, »scheint erheblich zugenommen zu haben; es müßten jetzt zwischen zwei- und dreitausend Mann sein.«
»Wir dürfen auch die umliegenden Dörfer nicht vergessen«, sagte sie. »Kithan!«
Der Halbling zügelte mit leichter Bewegung sein Tier; Jhiruns Stute, die ohnehin keine Lust hatte, die Spitze zu übernehmen, ging ebenfalls langsamer, so daß sie plötzlich zu viert nebeneinander ritten. Kithan musterte Morgaine gelassen, seine Augen waren wieder glasig und unstet.
»Er ist nur halb bei sich«, sagte Vanye angewidert.
»Vielleicht sollte man ihm das Zeug wegnehmen.«
»Nein«, sagte Kithan sofort und richtete sich im Sattel auf. Er gab sich Mühe, die beiden direkt anzuschauen, und in seinen Augen lag eine vage, tränenlose Traurigkeit. »Ich habe eure Mutmaßungen gehört; ich höre euch gut... Laß mir meinen Trost, Mensch. Ich werde eure Fragen
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