Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
beantworten.«
»Dann sag uns«, verlangte Morgaine, »womit wir rechnen müssen. Wird Hetharu die Unterstützung der anderen Burgen gewinnen? Werden sie sich ihm anschließen?«
»Hetharu...« Kithans Mund verzog sich zu einer Grimasse der Verachtung. »Sotharrn hat immer Angst vor ihm gehabt... man ahnte, daß er die Feste angreifen würde, sollte er in Ohtij-in an die Macht kommen. Und damit hatten sie natürlich recht. Einige unserer Felder sind in diesem Jahr überflutet worden; und im nächsten Jähr wären weitere hinzugekommen, und im nächsten auch wieder. Unvermeidlich, daß die Ehrgeizigeren von uns ihren Einfluß über den Suvoj hinaus ausweiten wollten.«
»Werden die anderen Festen ihm folgen oder ihn bekämpfen?«
Kithan zuckte die Achseln. »Welchen Unterschied macht das für die Shiua und für uns — selbst wir haben uns in Ohtij-in verneigt und ihm die Hand geküßt. Wir, die wir nichts anderes wollten, als ungestört weiterzuleben, haben keine Macht gegen die, die anderen Sinnes sind. Ja, die meisten werden sich ihm anschließen: welchen Sinn hätte eine andere Reaktion? Meine Wächter sind zu ihm übergelaufen: sie reiten zu ihm. Keine Frage. Sie haben sich meine Aussichten ausgerechnet, sie wissen eine Niederlage zu erkennen, wenn sie sich abzeichnet. Sie sind zu ihm geritten. Die kleineren Festen werden ohne Umschweife dasselbe tun.«
»Du könntest es auch, wenn du willst«, meinte Morgaine. Kithan betrachtete sie beunruhigt.
»Fühl dich nicht daran gehindert«, setzte sie nach.
Die Pferde schritten noch ein Stück nebeneinanderher; und Kithan blickte Morgaine mit wachsender Unsicherheit an, als stürzten sie und das Rauschgift ihn in Verwirrung. Er sah Jhirun an, die keine gute Meinung von ihm hatte; und Vanye, der den Blick ausdruckslos erwiderte, ihm nichts gebend, weder Haß noch Trost. Noch einmal schaute er sich im Kreise seiner Begleiter um, zuletzt auf Vanye blickend, als erwarte er, daß hier ein schreckliches Spiel mit ihm getrieben werde.
Einen Augenblick lang nahm Vanye an, er würde losreiten; sein Körper saß angespannt im Sattel, die Augen wirkten unter der glasigen Schicht in sich gekehrt.
»Nein«, sagte Kithan endlich und ließ die Schultern sinken. In seinen Kummer versunken, ritt er weiter neben den anderen her.
Niemand sagte etwas. Vanye fühlte sich in Morgaines Gegenwart nicht unwohl; er empfand eine Nähe des Geistes, in der Worte überflüssig waren; er kannte sie, er wußte, daß sie auch nichts gesagt hätte, wenn sie allein gewesen wären. Ihre Augen suchten im Reiten den Weg ab, doch ihr Geist beschäftigte sich in verzweifelter Dringlichkeit mit anderen Dingen.
Endlich zog sie oben aus dem Stiefel ein zusammengefaltetes und angegilbtes Stück Pergament, eine Karte, die aus einem Buch geschnitten worden war; stumm beugte sie sich aus dem Sattel und zeigte ihm die Straße. Sie wand sich vom Suvoj herauf, der mächtige Spalt war deutlich sichtbar; doch die Ländereien von Ohtij-in waren als weite, abgegrenzte Felder eingezeichnet, die es nicht mehr gab. Auch auf dieser Seite waren Felder verzeichnet, entlang der Straße und zwischen den Bergen; und andere Burgen außer der, die Sotharrn zu sein schien, da und dort im Zentralgebirge verstreut.
Und mitten im Gebirge ein kreisförmiges Zeichen, Abarais; Vanye vermochte die Runen nicht zu entziffern, doch ihre Finger deuteten darauf, und sie sprach den Namen aus.
Er hob den Blick von der braunen Tinte und der vergilbten Seite und blickte zu den Bergen empor, die nun vor ihnen lagen. Grünschwarzes Immergrün bedeckte die Hänge. Die gerundeten Gipfel waren kahl, die Schrägen ein Gewirr mächtiger Felsbrocken, uralt, vom Wetter zerfressen, eine Ruine von Bergen in einem sterbenden Land.
Am Himmel zog der zerbrochene Mond am klaren Himmel seine Bahn; das Wetter war schön, und es war warm, wenn die Sonne im Zenit stand, doch sobald sie sich dem Nachmittag zuneigte, schienen die Hügel in einem üblen Dunst zu verschwinden.
Es war keine Bewölkung; so etwas gab es in diesen Vorbergen heute nicht. Es war der Rauch von Feuern, der Rauch aus einem fernen Punkt in den Bergen, da andere Burgen auf der Karte eingezeichnet waren.
»Ich glaube, das ist Domen«, sagte Kithan, als sie ihn danach fragten. »Nach Sotharrn die nächste Burg. Auf der anderen Seite der Berge liegen Maro und Arisith; und inzwischen dürften Hetharus Armeen auch dort eingetroffen sein.«
»Und nehmen an Zahl weiter zu«, sagte
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