Morganas Wölfe
meine kannte. Aber es hatte sich etwas verändert. Der Glastisch war zerbrochen. Die Scherben lagen verteilt auf dem eingetrockneten Blut. Auf ihnen rutschte Melanie aus.
Und in diesem Augenblick fing die Waffe in ihrer Hand an zu tanzen. Sie zeigte nicht mehr auf mich, folgte der heftigen Bewegung, wies plötzlich gegen die Decke, und ich erkannte sofort meine Chance.
Mein rechter Arm zuckte hoch. Ich griff dorthin, wo die Flaschen im Regal standen, bekam eine zu fassen, holte noch im Liegen zum Wurf aus und schleuderte sie genau in dem Moment in Melanies Richtung, als sich die Mündung der Beretta wieder auf mich einzupendeln drohte.
Die Flasche flog, der Schuß fiel. Ich zuckte zusammen, rechnete mit dem Einschlag der Kugel. Sie schlug auch ein. Allerdings zerhämmerte sie eine Flasche. Der Alkohol lief aus, bespritzte mich, und ich war blitzschnell nach vorn gerobbt, blieb allerdings unten, um kein Ziel zu bieten.
Der Huch war Melanies Anfang der Flucht gewesen. Sie hatte sich gedreht und hetzte mit langen Schritten aus dem Raum. Das schaffte sie auch, ohne daß ich sie daran hätte hindern können. Diesmal war ihr Vbrsprung größer als bei der ersten Verfolgung. Auf der nächsten Treppe würde ich sie kaum stellen können. Zudem mußte ich damit rechnen, daß sie die Nerven behielt und mit der Waffe auf mich lauerte, wenn ich das Zimmer verließ.
Aus diesem Grunde war ich vorsichtig, zerrte die geschlossene Tür auf und sprang sofort in den toten Winkel in Deckung. Es hätte nicht zu sein brauchen, denn keine Kugel jagte durch die Öffnung.
Ich konnte in einen Flur sehen, der völlig normal aussah. Keine Melanie Morton hielt sich dort auf.
Als ich die Wohnungstür aufzerren wollte, zerbiß ich nur mühsam den Fluch. Die Stripperin war raffinierte, als ich angenommen hatte. Trotz ihrer wilden Flucht hatte sie nicht vergessen, von außen abzuschließen.
Der Schlüssel steckte entweder im Schloß, oder aber sie hatte ihn fortgeworfen.
Was mir blieb, war der eigene Frust über meine Vertrauensseligkeit. Ich ärgerte mich auch darüber, daß sie meine Waffe mitgenommen hatte.
Was die Lage einigermaßen erträglich machte, war die Tatsache, daß ich noch lebte und mir als Lebender schwor, daß ich Melanie und auch Morgana auf den Fersen bleiben würde…
***
Suko hatte sein Part des Jobs auf keinen Fall optimistisch gestimmt. Wie die meisten Menschen auf der Welt sah er Krankenhäuser lieber von außen als von innen. In diesem Fall jedoch war ein Besuch nicht zu vermeiden. Er parkte seinen BWM, mit dem er trotz des Nebels gefahren war, auf dem krankenhauseigenen Parkplatz, schaltete durch das verstärkte Drehen des Schlüssels die Alarmanlage mit ein und drehte sich seufzend um, weil er den Eingang zum Krankenhaus suchte.
Es war nicht so einfach, denn der Nebel hing nicht nur wie ein graues Gespinst in den Bäumen der Grünfläche, die das Krankenhaus umgab, er umhüllte auch den mächtigen Bau wie ein dichter Kokon aus Watte.
Das Gebäude sah aus, als hätte es jeglichen Kontakt mit dem Erdboden verloren und würde in der Luft schweben und zudem darauf warten, von einem heftigen Windstoß erfaßt zu werden, der es in eine andere Dimension trieb.
Die klebrigen Blätter auf dem grauen Weg, den Suko einschlug, sahen aus wie braune Flecken. Der Herbst hatte die Bäume entlaubt. Jetzt ragte das Geäst wie in sich verdrehte, starre Totenarme in den Himmel.
Die Bäume begleiteten ihn auf seinem Weg bis kurz vor dem Eingangsportal des Krankenhauses, wo eine halbrunde Hache aussah wie die graue Oberfläche eines Teichs.
Eine Treppe führte zu den gläsernen Türen hoch. Rechts daneben stieg eine glatte, breite Bahn im selben Winkel an, wo Menschen auf Rollstühlen hochgeschoben werden konnten.
Suko hatte sich nach dem Namen des Professors erkundigt, der versuchen wollte, die Verletzten in einem Raum zusammenzulegen. Der Mann hieß Ben Penrose und war Leiter der Station D.
Er wußte, daß Suko ihn besuchen würde. So würde er lange Voranmeldungen umgehen können. Zusammen mit zwei älteren Frauen stieg er die Treppe hoch. Die beiden unterhielten sich über ihre Männer, die in der Klinik lagen. Ihre Stimmen klangen traurig, denn die Ärzte hatten den Kranken keine großen Chancen mehr gegeben.
Auf diesem kurzen Stück erlebte Suko den Kreislauf des Lebens, der doch so simpel war. Die einen wurden geboren, andere starben. So war es immer gewesen, und so würde es auch immer bleiben, daran änderte sich
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