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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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Bescheid. Sie wusste es und verbarg es in ihrem Herzen.
    Manchmal aber, wenn sie nicht mehr an sich halten konnte wegen eines Wortes, eines Blickes, einer Lappalie, dann schüttete sie ihren ganzen Zorn über Erwachsene und Kinder aus. Die Leute mit lauter Stimme beschimpfend, lief sie durch die Straßen. Sie schimpfte ohne ersichtlichen Grund, redete laut mit sich selbst, attackierte alle, die ihr das Leben schwermachten.
    Elia liebte den Wettbewerb, mit Worten und mit dem Körper. Einmal warfen er und ein Freund aus dem Viertel sich gegenseitig Abscheulichkeiten an den Kopf, ein Wort hier, eine Beleidigung dort, Beschimpfungen der Eltern und der Verwandten, bis Elia die Oberhand zu gewinnen schien. Da wusste sein Gegner sich nicht mehr zu helfen und warf ihm die Worte »Du Sohn von Kâmleh« zu.
    – Du Affe!, hatte Elia vorher selbstbewusst gerufen. Sein eindeutiger Beweis: die geringe Körpergröße des Rivalen.
    – Du Schwindsüchtiger!
    Eine Anspielung auf die schwache Konstitution und Blässe, die an Elia gerichtet war und gleichfalls keines Beweises bedurfte.
    – Du Salatverkäufer!
    Eine Abwertung des Berufs des gegnerischen Vaters, eines Obstverkäufers. Elia war wahrlich erfindungsreich auf dem Schlachtfeld der Beleidigungen.
    Sein Gegner war überrascht, denn damit hatte Elia ein neues Feld erschlossen, in dem er überlegen war, das des Vaters. Hier hatte Elias Rivale nichts entgegenzusetzen. Er stotterte und wusste nicht, was er erwidern sollte. Als er sich hilfesuchend umblickte, beugte sich ein junger Mann herunter und flüsterte ihm rasch etwas ins Ohr. Als wäre ihm endlich der gesuchte Einfall gekommen, schrie der Kleine vor Freude:
    – Du Sohn von Kâmleh!
    Für kurze Zeit herrschte Schweigen. Dann, als die Anwesenden den Sinn der Anspielung erfasst hatten, folgte ein schrilles Gelächter. Wer es verstanden hatte, lachte, und wer es nicht verstanden hatte, lachte auch. Elias Rivale hatte einen Punktsieg davongetragen und sich die Anerkennung der Zuschauer verdient. Elia zögerte, für einen kurzen Moment lang war er verunsichert, dann begann er ganz unvermittelt seinen Widersacher mit Steinen zu bewerfen, ein deutliches Zeichen dafür, dass die verbale Auseinandersetzung ihren Höhepunkt erreicht und von nun an nur noch der physische Angriff Sinn hatte. Als der Rivale Reißaus nahm, rannte Elia wütend und heulend nach Hause. Auch er hatte nicht genau verstanden, was gerade geschehen war, aber er hatte die Erniedrigung gespürt.
    Von der Küche oder vom Balkon aus versuchte Kâmleh, Elia zu beobachten. Sie hatte Angst um ihn, ihr wäre es am liebsten gewesen, er würde gar nicht auf die Straße gehen, weil er nicht wusste, was ihn dort erwartete. Sie hingegen wusste es und rechnete mit dem Schlimmsten. Ein Stich mit dem Messer wäre für sie leichter zu ertragen gewesen, als ihn weinen zu sehen. Eines Tages fasste sie sich ein Herz und beschloss, ihn in die Schule der Nonnen des Kreuzes zu schicken. Wenn sie darauf angesprochen wurde, antwortete sie:
    – Ich habe nur den einen Sohn, und hier hat er einen schlechten Umgang. Er macht den anderen alles nach. Wenn ich die Zügel locker lasse, wird er nichts Vernünftiges lernen.
    Schulwissen meinte sie damit. Zweimal pro Woche besuchte sie ihn in der neuen Schule. Dann kochte sie für ihn, gab ihm zu essen, musterte ihn lange. Aber dass er nach Hause kam, wollte sie nicht. Sie fürchtete die Ferien, wenn die Schule ihn mit dem Akkordeon zu ihr schickte. Sie erfand dann alle möglichen Gründe, damit er das Haus nicht verließ. Aber sie verlangten nach ihm, sie versammelten sich unter dem Balkon und forderten, dass er sich ihnen anschließe.
    Sollten sie doch sagen, sie habe kein Herz, sie sehne sich nicht nach ihrem Sohn, aber sie würde ihn vor ihren Blicken schützen, vor ihren Blicken und ihren bösen Zungen.
    Sie erinnerte sich an ihren Schwager, Jasmins Mann.
    – Weit weg von euch zu sein ist ein Segen!
    Sie schickte ihn fort, und sie stand es durch, allein. Doch sie vergaßen nichts, selbst in hundert Jahren nicht. In ihrer Gegenwart sagten sie kein Wort, das wagten sie nicht, aber sie merkte es an ihren beiläufigen Fragen »Wie geht es Elia, es heißt, er sei ein guter Schüler?«, an der Art, die Frage in die Länge zu ziehen und den Mund spitz zu machen »Hat dein Elia schon ein anständiges Mädchen gefunden da drüben, Kâmleh?« Sie spürte, dass sie ihr immer noch auflauerten. Und heute möchte sie den grünen Star nicht operieren

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