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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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ab.
    – Geh nach Hause, ich brauche keine Hilfe.
    Zwei Tage später übergab sie sich. Ohne Grund. Es war Morgen, und sie hatte noch nichts gegessen. Sie war alleine zu Hause. Das war Ende Juli gewesen. Die Waffen trafen im Ort ein, geschmuggelt auf dem Rücken von Maultieren. Die Maultiere wurden von fremden Männern geführt, von denen es hieß, sie seien Militäroffiziere und die Zivilkleidung sei reine Tarnung. Sie überquerten den Fluss. In einer uneinsehbaren Gegend hatten sie eigens für diesen Zweck in aller Eile eine hölzerne Brücke gebaut. Sie luden ihre Last in der Nähe der Mühle ab, die Männer der Familie testeten die Gewehre, bevor sie sich für eins entschieden. Sie schossen auf den Stamm einer Pappel und stießen Pfiffe des Erstaunens aus, wenn sie die Spuren der Kugeln im Holz untersuchten. Es hieß auch, die Waffen für die andere Seite kämen aus Syrien. Sie erhielten sie aus der Stadt, vom alten Markt, wo sich die Revolutionäre verschanzt hätten. Sie würden sie den Fluss entlang nach oben schleppen. Am Vormittag kreisten Kampfflugzeuge in geringer Höhe über der Ortschaft. Sie beobachteten beide Seiten, wie es hieß.
    Kâmleh war schon zwei Wochen über den Termin, das konnte sie nicht ignorieren.
    Sie suchte ihre Mutter zu Hause auf. Es war das erste Mal, dass sie nach dem Tod ihres Mannes auf die Straße ging. Nein, das zweite Mal, einmal hatte sie ihm Blumen gebracht, in den Mandelhain, wo man ihnen in aller Eile ein Grab ausgehoben und sie beerdigt hatte, eine einzige lange Reihe kleiner Erdhügel. Sie hatte ihm einen Strauß roter Rosen mitgebracht und neben sein Bild gelegt. Auf jedem Erdhügel lag eine Fotografie. Sein Grab war das dritte von rechts, sie hatte außerdem eine weiße Lilie darauf plaziert.
    Andere Frauen, die durch Burdsch al-Hawa zu Witwen geworden waren, hatten an den Wahlen teilgenommen. Sie hielten die Fotos der verschiedenen Kandidaten in die Höhe und beteiligten sich an den Umzügen. Man hatte sie mit Bedacht als Unterstützer ihrer Kandidaten in den Wahllokalen ausgewählt, wo sie miteinander stritten und sich gegenseitig herausforderten und jubelten und vor Freude und Begeisterung tanzten, wenn die Ergebnisse verkündet wurden.
    Wie eine Fremde ging Kâmleh in Schwarz gehüllt durch die Straßen und versuchte, den neugierigen Blicken zu entgehen. Unheil lag in der Luft, und Neuigkeiten machten die Runde:
    – Saîd al-Râmi ist getötet worden …
    – Wo?
    – Er hat in der Apotheke gesessen und die Zeitung gelesen, da sind sie einfach reingestürmt und haben ihn umgebracht.
    – Wer hat ihn umgebracht?
    – Einer von ihnen hat gesagt: Grüß meinen Bruder, wenn du ihn dort triffst!, bevor er ihm einen Schuss in den Kopf verpasst hat.
    Die Täter waren geflohen und er hatte zwei Stunden lang blutend am Boden gelegen und mit dem Tod gerungen.
    Kâmleh erzählte der Mutter von ihrer Lage. Die gab ihr eine Ohrfeige, weil sie nicht gleich auf sie gehört hatte, als die Toten begraben worden waren. Aber ihre Mutter war eine Frau, die niemals kapitulierte; sie versuchte zu retten, was zu retten war:
    – Jetzt tu, was ich dir sage. Bevor du nach Hause gehst, schau bei Muntaha vorbei und trink einen Kaffee bei ihr. Erzähl ihr von deinem Appetit auf frische Datteln und dass sich die Regel verspätet hat. Und sag ihr, sie soll es niemandem erzählen! Dann wird sie es in allen Einzelheiten den Nachbarn weitertratschen. Sie ist deine Freundin, du kennst sie besser als ich.
    Kâmleh wechselte das Thema:
    – Sie haben Saîd al-Râmi umgebracht …
    Ihrer Mutter tat das nicht besonders leid.
    – Was wird jetzt passieren, Mama?
    – Für jeden Toten wird man zwei weitere umbringen, mein Kind …
    Kâmleh ging bei Muntaha vorbei. Die Straßen waren wie ausgestorben, die Panzer, die seit mehr als einem Monat auf dem Platz standen, drehten sich nun langsam um sich selbst. Der Soldat, der sich im Ausguck gezeigt hatte, zog sich wieder ins Innere des Fahrzeugs zurück und schloss sich ein. Sie fuhren auf die Straße, die nach Tripolis führt, ihnen voraus ein Militärjeep, der sie aus dem Ort lotste. Im Radio hatte es geheißen, dass sich das Militär nicht in den Konflikt innerhalb der Bevölkerung einmischen würde. Der Oberbefehlshaber sei neutral. Seit einem Monat waren die Nachrichten nicht abgerissen. Nachrichten über die Blutrache und die Angst vor dem Kommenden, und Kâmleh hatte nichts von alldem mitbekommen.
    Sie saß eine Weile bei Muntaha, traute sich aber

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