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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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in aller Öffentlichkeit die Heiligen, und beinahe hätten sie einen islamischen Gebetsruf von der Kuppel der Kirche ausgesandt, um ihre Gegner, die mit den Amerikanern und dem Präsidenten der Republik verbündet waren, zu verhöhnen.
    Sie wollten immer mehr, doch plötzlich war die »Revolution« vorbei, die Amtszeit des Präsidenten der Republik war zu Ende, das Parlament kam zusammen, und ein neuer Präsident wurde gewählt.

XX
    Es war die Idee der Mutter gewesen. Kâmlehs Mutter.
    Muntaha hätte das von sich aus niemals gewagt. Sie hatte mit der ganzen Sache nichts zu tun. Als Kâmlehs Mutter ihr die Bitte ins Ohr geflüstert hatte, konnte Muntaha deren Worte anfänglich gar nicht ernst nehmen: Kâmlehs Mutter hatte sie nämlich ersucht, Fuâd und Butros al-Râmi aufzusuchen, gleich nach der Beerdigung.
    Die Beerdigung.
    Ein starker Schweißgeruch hing in der Luft, der Geruch von Lebenden und Toten.
    Trotz des Protests der Angehörigen brachten sie die Särge in die Kirche. Dem war ein Streit vorausgegangen. Zuerst hatten die Priester vermitteln wollen, doch niemand schenkte ihnen Beachtung. Bis das Oberhaupt der Familie auftauchte.
    Das Familienoberhaupt.
    Bevor sie in die Kirche gebracht wurden, schritt der Führer der Familie an einem jeden einzelnen der Getöteten vorbei, beugte sich über sie, küsste sie auf ihre fahlgelbe Stirn und umarmte die Witwe und die Kinder. Ohne eine einzige Träne zu vergießen. Er hatte zu Hause geweint, in dem Haus, das sie gemeinsam für ihn in den Tagen der Not errichtet hatten. Jeder, der in der Lage gewesen war, mit anzupacken, hatte sich damals zur Verfügung gestellt, ohne Gegenleistung, der Architekt, der Maler, der Schreiner. Der Führer der Familie hatte allein geweint in seinem Zimmer, lange und ausgiebig, unter dem Bild seines Onkels, der ihm die Führerschaft vererbt hatte.
    Sein Bruder, der als Wachposten an der Tür zum Zimmer stand, stritt lautstark mit jedem, der das Zimmer betreten wollte:
    – Lasst ihm seine Ruhe, der Präsident der Republik will ihn später noch sehen!
    Er erzählte, er habe ihn schluchzen hören wie ein kleines Kind. Mehr als eine Stunde hatte er da allein gehockt. Dann hatte er innegehalten und war aufgestanden. Er hatte sich umgekleidet, sich rasiert, an seinen Schreibtisch gesetzt und begonnen, eine Presseerklärung zu verfassen, die er nach der Beerdigung verbreiten lassen würde. Darin gab er seinen Gegnern die volle Verantwortung. Es sei ein Hinterhalt gewesen, den man freien Menschen gestellt habe, ein Verrat an unbewaffneten Menschen … Er faltete das Blatt zusammen und steckte es in seine Tasche, stand auf und öffnete so unvermittelt die Tür, dass er gegen seinen Wache stehenden Bruder stieß. Dann ging er hinaus. Zwanzig junge Männer folgten ihm, die Waffen deutlich sichtbar. Von jetzt an würde er sich nicht mehr in seinem Zimmer einschließen, von heute an würde er nicht mehr weinen. Er hatte sie in einem Aufwasch beweint, vorab zu Hause, all seine Brüder und Cousins und Familienangehörigen, die gefallen waren und die noch fallen würden.
    Als er auf dem Kirchplatz an den Getöteten vorüberschritt, brachte er die Klageweiber zum Schweigen.
    Da rief ihm eine Frau, deren Sohn vor ihr aufgebahrt lag, zu:
    – Hauptsache, du bleibst am Leben!
    Die brachte er nicht zum Schweigen.
    Die brachten die zornigen Blicke ihrer Tochter zum Schweigen.
    Man hatte an ihrem Tonfall nicht erkennen können, ob die Frau über ihn gespottet oder ihre Sorge um ihn zum Ausdruck gebracht hatte.
    Es folgte eine weitere Auseinandersetzung mit den Frauen in der Kirche. Wegen der Särge. Man schloss die Särge, doch die Frauen hoben die Sargdeckel kurz darauf wieder hoch. Die Verhandlungen und Überzeugungsversuche zogen sich in die Länge, und man kam zu folgender Einigung: Nach Beendigung des Leichenzugs würden die Särge, bevor sie endgültig mit Nägeln verschlossen würden, noch einmal geöffnet werden. Es war dies der Vorschlag des Familienoberhaupts, das an der Spitze der Trauernden stand und persönlich das Totengebet zu sprechen anhob.
    Die Priester verstanden dies als Geheiß anzufangen. Sie beeilten sich bei ihren Gebeten, verschluckten die syrischen Laute, als ob ihnen jemand auf den Fersen wäre. Ihre Blicke und Gedanken waren auf die Menschen auf dem Kirchplatz gerichtet. Die Menschen kannten das Totengebet auswendig, sie sprachen es auf Syrisch, und manche kannten es sogar besser als die Gottesmänner. Kaum war die Schar der

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