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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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niemand außer mir weiß, wo sie stecken.
    Elia lächelt.
    – Haben Sie etwas dagegen, wenn ich ein Foto von Ihnen mache?, fragt er.
    Der Mann steht von seinem Stuhl auf und stellt sich vor:
    – Ich bin in Brasilien geboren und als Zehnjähriger in den Libanon zurückgekommen, vor dem Zweiten Weltkrieg. Mein Vater hat in den Wäldern des Amazonas Handel getrieben, mit einem Bauchladen, er hat den Einwohnern Reliquien aus dem Holz des Kreuzes und Erde aus Jerusalem verkauft. Die Christen dort sind fanatisch, und die Indianer noch viel mehr und gläubigere Christen als die Weißen, die meisten Weißen haben keine Moral …
    Er lacht, so dass seine Zahnstummel sichtbar werden. Während er aufsteht, um sich vor der Tür in Positur zu stellen, fährt er fort:
    – Mein Vater hat mich Pedro genannt, so wie die Leute dort. Er hatte zwei Frauen, eine auf dem Land und eine in São Paulo. Ich bin von der Frau vom Land, eine Brasilianerin, er hat mich ihr gegen meinen Willen weggenommen und hierher gebracht …
    Er lacht wieder laut.
    – Eines Tages hat er den Papagei von der Stadt mit aufs Land genommen, einen Papagei, an den ich mich gut erinnern kann, bevor er gestorben ist. Er ist damit zu meiner Mutter gekommen, und da hat der Papagei angefangen, die andere Frau meines Vaters zu rufen, wie er es in São Paulo gewohnt war, »Margarita, Margarita, eu te amo …«.
    Elia bittet ihn, sich ein wenig zur Seite zu stellen, damit das Schaufenster des Ladens mit aufs Foto kommt. Elia ruft einen jungen Mann, der seine Zigarette angezündet hat und in der Nähe stehen geblieben ist, und bittet ihn, ein Foto von ihm zu machen. Der Ladenbesitzer blickt ihn befremdet an und fährt fort, obwohl ihm niemand mehr zuhört:
    – … und meine Mutter hat sich darüber beschwert, sie hat meinen Vater gefragt, wer denn diese Margarita ist, die er liebt, und da hat er zu ihr gesagt, dass der Papagei verrückt geworden ist. Sie ist ihm daraufhin, ohne dass er es wusste, nach São Paulo gefolgt, bis zu seiner anderen Wohnung, und dort kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Ehefrauen …
    – Was haben Sie gesehen, als es passierte?, unterbricht ihn Elia in ruhigem Ton.
    – … ich war noch klein, ich kann mich an nichts erinnern, aber meine Mutter hat mir erzählt, wie sie sie an den Haaren gepackt und zu Boden geworfen hat …
    Elia lächelt über die gelungene Verwechslung.
    Der Mann gibt eine weitere Bestandsaufnahme brasilianischer Nachrichten von sich, die mit den Farben des Papageis geschmückt sind. Da hebt Elia seine Stimme ein wenig, um seiner Verstimmung Ausdruck zu verleihen, während er über das beabsichtigte Missverständnis lächelt:
    – Bei dem, was hier passiert ist, was haben Sie gesehen, wo waren Sie? Man sagt, Sie haben alles gesehen, stimmt das?
    Der Ladenbesitzer versucht, Zeit zu gewinnen. Er beendet die brasilianische Papageiengeschichte.
    – Kommen Sie herein, bitte, im Laden ist es kühler.
    Er kehrt zu seinem Platz hinter der Waage zurück. Hinter seinem Bollwerk fühlt er sich sicher.
    – Der heilige Michael wurde am Flügel von einer Kugel Kaliber 14 getroffen und der heilige Josef am Auge, außerdem drang eine Kugel in das Gebetbuch ein, das Pfarrer Antonius das Leben rettete, weil er das schwere Buch gerade in den Händen hielt; der Stab des Erzbischofs lag auf dem Boden, den haben wir ihm erst zwei Tage später geschickt, als der Kawass auftauchte, um ihn zu suchen. Wer hat Ihnen denn erzählt, dass der Opferstock getroffen wurde? Sagen Sie ihm, dass das Unsinn ist, ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen. Der Beichtstuhl, ja, der war mit Kugeln gespickt, und angeblich hat sich jemand im Beichtstuhl versteckt und von dort in alle Richtungen geschossen …
    Elia ist nicht überzeugt.
    Der Mann erregt sich.
    – Kommen Sie!, fordert er Elia auf. Setzen Sie sich auf meinen Platz, bitte.
    Elia zögert.
    – Setzen Sie sich hier auf meinen Stuhl.
    Elia setzt sich und legt gehorsam die Hände ineinander.
    – Ich habe an jenem vermaledeiten Sonntag hier gesessen. Was können Sie sehen?
    Elia blickt nach draußen. Das Kirchportal und der mittlere Teil des Platzes, das ist alles, was man sieht.
    – Jeder hat nur an sich selbst gedacht, sagt der Mann.
    – Wer stand hier im Laden?, fragt Elia ihn unvermittelt.
    – Ihr Vater war hier in Begleitung eines anderen jungen Mannes aus Ihrer Familie …
    – Woher wissen Sie, wer ich bin?, unterbricht ihn Elia aufgewühlt.
    – Ich bin über siebzig, mein

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