Morgen des Zorns
leichtsinnigen Cousins an der Barrikade hinter dem Mühlstein aufsuchte, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern, stieß er ihn von sich, weil er dessen durchdringenden Mundgeruch und das Getuschel nicht ertragen konnte. Weil niemand in der Nähe war, der sie hören konnte, forderte er seinen Cousin auf, mit lauter Stimme zu sprechen. Der Cousin setzte eine verwegene Miene auf und sagte, dass sie ihn nach dem Abendessen um zehn Uhr aus dem Haus pfeifen würden. Er solle sich den Bauch nicht zu voll schlagen, damit er mit ihnen kommen könne, und er dürfe niemandem davon erzählen, selbst Catherine nicht. Außerdem solle er seine Pistole und vier Magazine mitbringen und die geräuschlosen Kautschukschuhe anziehen, die er gewöhnlich trage, wenn er auf Wachteljagd ging. Sie seien zu dritt, er sei der Vierte, und sie würden … Sein Gegenüber begnügte sich mit einer Geste in Richtung der gegnerischen Linien. Dann erläuterte er ihm den Plan: Wir zertrümmern die Tür von Abu Saada, von dort klettern wir durch das Fenster in die Schreinerei, dann halten wir uns links.
Muhsin wandte ein, dass ihn sein Bauchgrimmen Nacht für Nacht plage, dass er kein junger Mann mehr sei und sie vielleicht behindern würde, schließlich komme es bei einem solchen Vorhaben nicht auf die Anzahl der Beteiligten an. Und wenn er denn unbedingt im Kampf getötet werden sollte, dann würde er es bevorzugen, durch einen eigenen Fehltritt zu sterben, statt wegen des Patzers eines anderen – ein deutlicher Hinweis auf sein mangelndes Vertrauen in die Teilnehmer dieses geplanten Vorstoßes durch die feindlichen Linien. Das Vertrauen mangelte ihm vermutlich wegen deren jugendlichen Alters und ihrer geringen Kampferfahrung, wenngleich uns damals nicht klar war und wir auch später nicht erfuhren, wo Muhsin selbst seine umfangreichen Kenntnisse darin eigentlich erworben hatte. Was Muhsin allerdings verschwieg, war, dass er eine Schwester hatte, Hesneh, die auf der anderen Seite verheiratet war. Vielleicht befürchtete er, auf seinen Schwager zu stoßen oder auf die Brüder seines Schwagers. Immerhin aber versprach er den jungen Männern, an seiner Barrikade Wache zu halten und auf ihre Rückkehr zu warten.
Kurz nach Mitternacht waren sie so selbstverständlich zurück, als wäre alles ein Kinderspiel gewesen. Sie erzählten, wie mühelos sie vorgedrungen waren und wie sie die Tür von Abu Saada bereits zertrümmert vorgefunden hatten. In der Schreinerei sei vom Holz ein intensiver Geruch ausgegangen. Als sie ein Ächzen vernahmen, hätten sie ihre Revolver entsichert und sich gegenseitig aufgefordert, still zu sein. Dann hätten sie in einer Ecke einen Mann entdeckt, der inmitten des Sägemehls sein Bedürfnis verrichtete. Er litt offenbar unter starker Verstopfung, denn sie hätten gehört, wie er sich selbst mit den Worten anfeuerte:
– Na los, Neamatallah …
Sie hätten ihn an seiner Stimme und an seinem Namen erkannt. Schließlich sei das ein seltener Name. Der des Metzgers von gegenüber der Kirche. Er habe erneut tief Luft geholt und zu pressen begonnen, doch ohne Erfolg.
– Du Feigling, Neamatallah …, habe er sich daraufhin selbst beschimpft.
Sie hätten so lange gewartet, bis er sich endlich erfolgreich entleert und erleichtert aufgeseufzt habe und dann aufgestanden sei.
– Er hat sich mit dem Sägemehl den Hintern abgewischt. Er hat eine ganze Handvoll vom Boden aufgenommen und sich damit den Arsch abgerieben!
Sie erzählten es sichtlich amüsiert, vielleicht aber hatten sie dieses Detail auch nur erfunden, weil sie wussten, wie empfindlich Muhsin auf Schmutz reagierte.
Er unterbrach sie. Anzeichen von Ekel hatten sich auf seine Gesichtszüge gelegt, seit sie in ihrem Bericht auf die Schreinerei zu sprechen gekommen waren.
– Und morgen bereitet er denen im Oberen Viertel mit diesen Händen das Fleisch zu!, rief er.
Dann lachte er und befahl mit einer solchen Entschiedenheit, als sehe er ihn mit eigenen Augen vor sich:
– Bringt ihn um!
Man hätte meinen können, Muhsin wolle ihn dafür töten lassen, sich in der Schreinerei den Hintern auf diese Weise abgewischt zu haben, und nicht, weil er bewaffnet in die Reihen des Gegners eingedrungen war. Neamatallah stammte nicht aus einer angesehenen Familie, sondern war von unbekannter Herkunft, und es hätte all dieses Enthusiasmus, hinter die feindlichen Linien vorzudringen, gar nicht bedurft. Sie erzählten ihm weiter, keiner von ihnen habe, als sie diesen schändlichen Anblick
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