Morgen des Zorns
nicht mehr damit ringen, ihren Mann zu überreden, in sie einzudringen, weil sie schwanger werden wollte. Mal bittend, mal mit List und mal mit einer Verführungskunst, die nie erfolgreich gewesen war. Sie wollte nicht, dass jemals irgendjemand wieder in sie eindrang. Sie hatte es hinter sich, den Kinderwunsch und das flehentliche Bitten. Weder ihren Mann noch die Heiligen würde sie in Zukunft anflehen müssen.
Seine Verwandten würden Rache üben. Das war ihr Schicksal. Sie würden es nicht lange ertragen können, seinen Tod ungesühnt zu lassen. Sie hatten begonnen, nächtens Hinterhalte auf den Straßen zu legen, drei oder vier Männer, die dort lauerten, verborgen vor allen Blicken, sie würden sie kriegen, früher oder später. Brüder, deren Brüder getötet worden waren, oder deren weit entfernte Verwandte, das machte keinen Unterschied.
Sie würde nichts tun, nichts würde von ihr verlangt werden. Sie war wütend über diejenigen, die ihn getötet, und über diejenigen, die sie mit ihm verheiratet hatten. Sie musste die Tür ihres Hauses für niemanden mehr öffnen. Sie musste niemandem gegenüber mehr gefällig sein, besonders ihren Verwandten gegenüber nicht. Sie würde sich damit begnügen, neben Muntaha zu sitzen, zwei geistesabwesende Dummchen, die auf niedrigen Korbhockern in der Schwüle des Sommers sitzen, eine lindernde Brise würde vom nahe gelegenen Fluss zu ihnen herüberwehen oder der Geruch, den der taubstumme Aalfischer mit sich führte. Schamlos würde sie ihren Körper entspannen und mit Muntaha über die Leute herziehen. Sie würden niemanden mit ihren bösen Zungen verschonen. Sie würden einer jeden Frau, die sich schminkte und puderte, einen Ehebruch unterstellen und Diebstahl und Betrug einem jeden, der sich ein neues Auto oder neue Möbel zugelegt hatte. Jeder, der auf der Straße vorbeiging, würde seinen Teil abbekommen, würde von ihnen mit prüfenden Blicken und messerscharfen Worten bedacht.
Wenn sie allein war, pflanzte sie Blumen auf dem Balkon, Blumen für jede Jahreszeit. Sie beobachtete dieses zarte Leben, unterstützte es, spannte Fäden für die verletzlichen dünnen Triebe, gab ihnen Wasser, stutzte sie und ärgerte sich, wenn sie zu langsam wuchsen. Kâmlehs Nachbarn behaupteten, sie habe, als sie nach Elias Abreise nach Amerika zu lange Zeit allein gelebt hatte, angefangen, leise mit ihren Blumen zu sprechen, als würde sie sie loben oder tadeln.
So würde ihr Leben verlaufen. Außer ihrer Mutter würde sie niemanden besuchen, wer sie liebte, sollte zu ihr kommen. Sie würde die ganze Nacht durchschlafen. Von heute an würde sie sich nicht mehr stundenlang im Bett hin und her werfen, wie ein Fisch im Netz, die Rückkehr ihres Mannes von seinem nächtlichen Glücksspiel erwartend, zu dem er sie kein einziges Mal mitgenommen hatte. Sie hatte sich einen hell erleuchteten Saal mit hoher Decke vorgestellt, in dem es von verführerischen Frauen nur so wimmelte, deren schwarze Kleider Dekolleté und Rücken preisgaben. Soireen, die erst ein Ende fanden, wenn der Morgen graute. Dann kehrte Jûssef auf Zehenspitzen zurück, öffnete verschämt die Haustür, darum bemüht, sie nicht zu wecken, damit sie den Geruch der anderen Frauen nicht bemerkte.
Er hatte unzählige Cousins, mutige Männer, die jetzt für ihn Rache nehmen würden!
Sie würde nicht wieder heiraten. Ein Ermordeter schwebt wie ein Adler über dem Kopf seiner Witwe, bis sie an der Reihe ist mit dem Sterben. Er würde sie weiterhin »beherrschen«, auch wenn sie ihn rächen und seinetwegen die ganze Welt verwüsten würden. Sie würden scheinheilig zu ihr sagen: »Heirate doch, Kâmleh«, doch sie würde ablehnen, und das hätten sie natürlich gewusst, und sowieso würde keiner um ihre Hand anhalten.
Sie wollte nicht heiraten. Sie hatte das noch nie gewollt. Sie hatten sie in die Enge getrieben, kaum dass ihr Herz zu schlagen begonnen hatte.
– Heirate, Kâmleh, deine Schwestern warten.
Sie war die Jüngste und die Hübscheste von ihnen gewesen, immer wenn die Mädchen umschwärmt worden waren, hatte der Junge nur Augen für sie gehabt. Sie hatte versucht, sich den Blicken zu entziehen, doch ohne ihr Zutun gefiel allein sie den jungen Männern. Aber sie heiratete nicht und ließ auch keine ihrer Schwestern heiraten. Als Jûssef al-Kfûri um ihre Hand anhielt, begann ihr Herz für ihn zu schlagen. Die anderen spürten das und ließen ihr keine Zeit.
– Sie haben mir nicht die Zeit gelassen, ihn zu
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