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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Nummer und so?«
    »Nein, eigentlich reden wir nicht mehr miteinander. Wir gingen ja nicht gerade im Guten auseinander.« Ich sah sie flehentlich an. Ein wenig schroff meinte sie: »Ist ja gut. Warte mal. Sie steht wahrscheinlich auf der Karteikarte für das Foto-Shooting.«
    Allmählich kamen Mickeys Mitarbeiter herein und verteilten sich auf die Schreibtische, wo sie ihre iPods oder ihre Zeitung ablegten. Unter fröhlichem Geschnatter verbreitete sich schnell Kaffeeduft im Büro. Jemand machte das Radio an. Ich winkte den wenigen bekannten Gesichtern höflich zu. Starrte in Claudias lachendes Gesicht. Pauline kam zurück. Die Nummer hatte sie auf einen gelben Post-it-Zettel notiert.
    »Danke«, murmelte ich. »Es tut mir leid. Du musst ja denken, ich sei vollkommen verblödet.«
    »Wohl kaum. Sei nicht dumm, Kleines. Du musst ja völlig am Ende sein.« Liebevoll drückte sie mir die Hand. »Außerdem nehme ich an, dass jeder verdächtig ist, bis man ihn definitiv ausschließen kann.«
    Sie brachte mich zur Tür und erzählte mir, sie sei ganz erleichtert gewesen, als sie Mickey besucht habe. Schließlich gehe es ihm ja wieder ganz gut, und sie habe sich solche Sorgen gemacht. Dann küsste sie mich auf die Wange, wobei ich tatsächlich Alkohol in ihrem Atem roch, und bat mich, doch auf mich aufzupassen. Meine so deutlich zur Schau getragene Verzweiflung machte mich verlegen.
    »Und du, Pauline. Geht es dir denn gut?«
    »Ach, großartig. Danke, Kleines. Mir geht’s wirklich super.«
    Doch sie sah aus, als würde sie gleich zu weinen anfangen. Und auch die Ringe unter ihren Augen wirkten tiefer als je zuvor. Herausfordernd warf sie ihre Zöpfchen zurück und wölbte die Brust, auf der ein Sheriffstern glänzte.
    »Nur dass ich und Freddie gerade so etwas wie eine schwierige Phase haben. Die Segelferien sollten ein Neuanfang werden, aber dann kommt man heim, und es ist alles wie vorher. Diese ganze verdammte Baby-Geschichte.« Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund.
    »Mein Gott, entschuldige, Kindchen. Ich meine natürlich zwischen ihr und mir. Weißt du, sie hört die Uhr ticken.« Damit riss sie die Tür auf. Der Lärm von der Straße drang herein. »Das Problem ist nur, das ist alles nicht so mein Ding. Offensichtlich schleppe ich das Problem mit.«
    »Das tut mir leid. Ich hoffe, du kriegst das hin.«
    Doch als ich zurück ins Auto kroch, hallte irgendetwas in mir nach, das sagte, dass etwas nicht stimmen konnte. Und Mickey war der Einzige, der meine Zweifel diesbezüglich beseitigen konnte.
    Ich fuhr also direkt zum Krankenhaus und stellte den Wagen auf dem Behindertenparkplatz ab, weil es sonst keinen gab. Ich stürmte ins Krankenhaus, als hinge mein Leben davon ab. Die gelblich gestrichenen Korridore hinab, in den nach Desinfektionsmittel riechenden Lift, den Flur hinunter zur Intensivstation. Dort läutete ich wie wild. Schwester Kwame kam zur Tür.
    »Mrs Finnegan«, sagte sie. Ich ging eilig hinter ihr her. Doch sein Zimmer war leer, das Bett abgezogen. Wieder fing mein Herz an zu rasen. »Wo ist er?«, schrie ich fast.
    »Keine Aufregung, Mrs Finnegan«, antwortete Schwester Kwame und sah mich mit ihren milchkaffeebraunen Augen an. Allein ihr Blick beruhigte mich schon. »Er ist auf Station. Auf der Hauptstation, einfach die Treppe hinunter. Endlich aus der Intensivstation draußen. Das sind doch tolle Nachrichten, oder?«
    »Wo ist das, Schwester? Die Station. Ich muss ihn sofort sehen.«
    »Ist auch alles in Ordnung?« Jetzt runzelte sie die Stirn. Meine Panik bereitete ihr offensichtlich Sorgen. »Gibt es etwas Neues von Ihrem Baby?«
    »Nein«. Ich schüttelte den Kopf. »Leider gibt es keine wirklich beruhigenden Neuigkeiten. Ich muss nur einfach Mickey sehen, und zwar sofort. Bitte.«
    »Kommen Sie, ich bringe Sie hin«, sagte sie freundlich und legte den Arm um mich. »Das ist alles fürchterlich anstrengend für Sie, nicht wahr? Arme Mrs Finnegan.«
    Eine Sekunde lang ließ ich mich ohne ein Wort in diese Umarmung fallen.
    Wir gingen den Weg zurück, den ich gerade gekommen war. Dann fuhren wir in den fünften Stock hinunter. Die Station »Marcia Banes« lag ganz hinten. Ich versuchte, nicht ins Rennen zu verfallen. Wir kamen zur Eingangstür. Dort läutete ich wieder. Ich hatte das Gefühl, als mache ich heute überall Antrittsbesuche und müsse eine Visitenkarte hinterlassen.
    Die Nonne mit dem runden Gesicht von gestern Abend erschien. Sie war so dick, dass ihre Haut glänzte.

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