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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Zivilwagens, der sogar für meine Begriffe zu schnell fuhr. Wir schossen durch die hügeligen South Downs, die vom langen Sommer fleckig braun waren. Dann hielten wir die Küstenstraße entlang, vorbei an dahinschlendernden Touristen und Heerscharen von Rentnern, bis unser Fahrer die Sirene einschaltete und wir sogar in unübersichtlichen Kurven überholten, bis wir endlich in Newhaven ankamen. Bei dem verwahrlosten Fährhafen bogen wir ab, wobei der Fahrer die Rechtskurve so scharf nahm, dass Deb und ich auf der Rückbank mit den Köpfen zusammenstießen.
    »Eigentlich wollten wir schon in einem Stück dort ankommen«, fauchte sie den Fahrer an, als sie sich würdevoll wieder aufrichtete.
    Er lachte nur und drückte das Gaspedal nicht mehr ganz bis zum Anschlag durch. »Geht’s in zwei Stücken auch? Entschuldigt, Mädels.« Er sah kein bisschen schuldbewusst aus. »Befehl vom Boss. Ich soll euch so schnell wie möglich hinbringen.«
    »Aber vermutlich lebend, oder?«, gab Deb zurück, doch er zog wieder nur eine Grimasse. Auf einer engen Straße, die zum Meer hinunterführte, hielten wir auf halbem Weg an einem Straßenposten an. Erleichtert, aber stumm seufzte ich auf. Die Polizistin, die mir kürzlich das Höschen gebracht hatte, beugte sich zu unserem Fahrer hinunter. »Hier hältst du besser an, Steve«, sagte sie. »Weiter kannst du nicht fahren.«
    Wo die Reihe heruntergekommener Häuser endete, lungerten einige Polizisten in Zivil herum, sahen unbehaglich drein und murmelten in ihre Funkgeräte. Auf dem Wasser schaukelten Fischerboote, deren bunte Farbe schon abblätterte. Alte Netze und Boote waren fein säuberlich an einem gepflasterten Pier vertäut. Rostende Anker hatten dort, wo sie lagen, den Zement verfärbt. Die Möwen über uns stießen tragische Schreie aus, die mich an Robbie denken ließen. Dies wiederum – zusammen mit dem schrecklichen Geruch von Seetang und verrottendem Fisch – brachte meinen Magen erneut zum Revoltieren.
    Hinter einer kleinen Gruppe von Männern entdeckte ich Silver, der auf seinem allgegenwärtigen Kaugummi herumbiss.
    Er sprach mit einem breitschultrigen, grauhaarigen Mann in einem langen, blauen Mantel. Der Typ war gebaut wie eine Bulldogge. Die Art und Weise, wie er dastand, ließ mich vermuten, dass es sich um Silvers Chef handelte. Die Spannung zwischen den beiden war nicht zu übersehen, obwohl ich noch recht weit weg war. Ich hob die Hand, um zu winken, da blieb mir fast das Herz stehen. Eine Gruppe bewaffneter Polizisten lief auf eine Gruppe von Ölfässern zu, wo sie Deckung nahmen. Die Gewehre steckten in Taschen, die locker über ihren Schultern hingen. Sie lachten und scherzten, als sei das alles völlig normal.
    Deb sah mein Gesicht und nahm meinen Arm. »Wir warten vielleicht besser hier«, sagte sie. Ich aber hatte jetzt Angst, mehr Angst als je zuvor in den letzten vierzehn Tagen.
    »Was zum Teufel geht davor, Deb?«, wollte ich wissen. Ohne ihre Antwort abzuwarten ging ich um die bewaffnete Truppe herum und hielt auf Silver zu.
    »Jess«, sagte er. Er lächelte nicht, sondern schien nervös, richtig angespannt.
    »Was geht hier vor, Silver? Wieso all diese bewaffneten Männer?«
    »Nur eine Vorsichtsmaßnahme, Schätzchen«, sagte der andere Mann. »In diesem Stadium jedenfalls.« Er streckte mir die Hand entgegen, auf deren unteren Fingergliedern kleine graue Härchen sprossen.
    »Jessica Finnegan, Superintendent Malloy«, stellte Silver uns vor.
    »Hallo«, sagte ich höflich.
    »Um Ihren Bruder tut es mir leid, Schätzchen«, sagte Malloy schroff. Eine Sekunde lang sahen wir uns in die Augen. Er hatte sehr helle Augen, die sich jetzt in mich verbissen. Es sah aus, als sage er die Wahrheit. Dann zerdrückte Silver seine Getränkedose in der Hand und räusperte sich ein wenig linkisch.
    »Jess, wir haben gerade die Ergebnisse von Robbies Blutanalyse zurückbekommen. Sie sieht ein wenig merkwürdig aus. Ich fand, Sie sollten das wissen.«
    »Merkwürdig?«, hakte ich nach. Malloy warf Silver einen Blick zu.
    »Ja, merkwürdig. Die Heroindosis hätte einen Elefanten umgebracht. Robbie nahm doch regelmäßig Heroin, oder?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht genau. Er war …« Ich atmete tief ein. »… nicht immer ganz ehrlich zu mir, in letzter Zeit.«
    »Ich weiß. Es tut mir leid, dass ich Sie das fragen muss. Doch die Dosis, die er im Blut hatte, war so hoch, dass er entweder sterben wollte oder …«
    »Oder was?«
    Ich betrachtete

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