Morgen früh, wenn Gott will
Sekunde lang hatte ich das Gefühl, dass ich jetzt am liebsten auf ihn einschlagen würde, doch bevor ich das konnte, war Deb erneut an meiner Seite. Sie hielt meine Arme fest, und ich hörte auf zu lachen. Tränen rollten meine Wangen hinunter, meine Nase schien nur aus laufendem Rotz zu bestehen, doch ich würde nicht weinen, ich hatte die Tränen satt, ich war aus härterem Stoff gemacht. Oder nicht? Ich trat einen Schritt weg von Deb.
»Es geht mir gut«, sagte ich. »Danke. Aber es geht mir wirklich gut.« Doch sie tauschte einen verstohlenen Blick mit der Krankenschwester, einen Blick, der alles sagte. Ganz offen. Ohne Umschweife: Nein, natürlich geht es ihr nicht gut.
Schwester Kwame machte mir einen Tee, der so süß war, dass buchstäblich der Löffel drin stecken hätte bleiben können. Nachdem sie meine Atemgeräusche gehört hatte, machte sie sich auf die Suche nach einem Inhalator.
»Er kommt schon in Ordnung. Sie müssen nur daran glauben«, sagte sie in ihrem singenden afrikanischen Tonfall. Tatsächlich war ich ein bisschen gefasster. Ihre Bewegungen strahlten eine ruhige Würde aus, die mir Sicherheit gab.
»Ich wünschte, ich könnte das«, sagte ich. »Aber es läuft einfach alles falsch.«
Bevor sie noch antworten konnte, kam Mickeys Arzt in den Raum. Rotbäckig und klein wie er war, sah er aus wie eine größere Version der niedlichen Comicfigur Noddy. Die Aufnahmen ließen keine offenkundigen Gehirnverletzungen erkennen, sagte er. Es sei also nur eine Frage der Zeit, wann Mickey aufwache. Die einzige Gefahr, die jetzt noch drohen könnte, wären unentdeckt gebliebene innere Blutungen – die jedoch mittlerweile ebenfalls unwahrscheinlich schienen.
»Im Grunde könnte er jetzt auch nur schlafen«, sagte er, während seine munteren Augen einen schnellen Blick zu mir herüberschossen, der prüfen sollte, ob ich ihm glaubte. »Bedauerlicherweise hat er wohl heftige Prügel bezogen.« Liebevoll strich er seinen Bart und meditierte über einer Karteikarte, die er eben von der Wand genommen hatte. »Ein oder zwei Rippen sind gebrochen, aber wir konnten zu unserer Erleichterung feststellen, dass seine Verletzungen sonst eher oberflächlich sind.«
Bei der Vorstellung, dass Mickey am Boden lag und Louis zusah, wie sein Vater geschlagen wurde, zuckte ich zusammen. Die Galle stieg mir hoch.
»Ich glaube – entschuldigen Sie, aber dürfte ich mich setzen?«
Ungerührt plapperte der Arzt weiter, während Schwester Kwame mir einen Stuhl holte. »Wenn alles gut geht, ist er morgen wieder auf den Beinen. Ich weiß ja, dass die Polizei von dem armen Kerl Informationen braucht.«
Die Schwester murmelte etwas, als sie ihm das Blatt aus der Hand nahm. Er sah mich an, als wäre ich ein Urwaldtier. Seine Apfelbacken glühten rot. »Und Ihnen, geht es Ihnen gut? Natürlich haben Sie einen Schock.«
Ohne auf meine Antwort zu warten, stellte er ein Rezept aus. »Schwester Kwame soll ruhig den Arzneischrank plündern«, meinte er verschwörerisch. »Haben Sie noch Fragen? Nur heraus damit«, meinte er und steckte sich den Stift hinters Ohr. Dann war er verschwunden.
Kurz nachdem Leigh mit Gary im Schlepptau eingetroffen war, kam Debs Inspector, um mich nach Hause zu bringen. Schwester Kwame händigte mir ein Informationsblatt für den Umgang mit Patienten mit Gehirnerschütterung und ein paar Beruhigungspillen aus.
»Ich will keine, wirklich nicht. Danke«, sagte ich und schüttelte den Kopf. Ich nahm kaum je ein Aspirin, denn was Tabletten mit einem Menschen anstellen können, hatte mir das Beispiel meiner Mutter gezeigt.
»Nehmen Sie sie einfach mit. Für den Fall der Fälle. Und nehmen Sie sie nur, wenn Sie sie wirklich brauchen, okay?« Leigh steckte sie für mich ein.
Man diskutierte noch kurz darüber, ob es besser sei, wenn ich hierbliebe, falls Mickey zu Bewusstsein käme, doch ich konnte den Gedanken nicht ertragen. Ich musste nach Hause. Was, wenn jemand Louis zurückbrachte? Der Polizist mit Namen Silver meinte, er würde mich nach Hause fahren, dann könnten wir uns noch ein bisschen unterhalten. Dann machte Leigh alles noch komplizierter, weil sie meinte, ich könne jetzt nicht allein bleiben, bis jemand am Ende vorschlug, sie solle doch einfach mitfahren.
»Du kommst besser mit zu uns. Das ist eindeutig das Beste, nicht wahr, Gary?« Sie war fest entschlossen und bat ihren Mann mit einem Blick um die übliche Bestätigung. Ich schüttelte wieder den Kopf.
»Nein.«
»Nein?« Erstaunt sah
Weitere Kostenlose Bücher