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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Kelly und Fred Astaire immer schon geliebt. Wie viele verregnete Nachmittage hatten Leigh und ich doch damit verbracht, zu »Singing in the Rain« durchs Wohnzimmer zu wirbeln und mit unseren Schirmen die Glasmenagerie meiner Mutter zu zertrümmern. Ich mochte alte Musicals, doch Margot Fonteyn und ihre Truppe überstiegen meinen Horizont bei Weitem. Sobald ich jedoch meine Nervosität abgelegt hatte, die ich nicht zu zeigen wagte, genoss ich einfach den überwältigenden Glanz des Ereignisses – die »vornehmen« Leute in ihrem zu aufwendigen Outfit, das Glas Champagner in der Pause, das rote Plüschtheater. Und Mickey an meiner Seite, so gut aussehend, charmant und aufmerksam.
    Danach führte er mich in ein Restaurant aus, das so teuer war, dass man die Preise auf der Speisekarte tunlichst wegließ. Frauen in Seidenkleidern, die mehr kosteten als meine Monatsmiete, rauschten aus und ein. Die Männer, die ihr Vermögen dick und apoplektisch gemacht hatte, schnippten mit den Fingern nach den Kellnern. Mickey fütterte mir die Austern mit der Hand. Ich fand sie schrecklich. Der Kaviar allerdings, diese kleinen, salzigen Eier, die über meine Zunge hüpften, schmeckte mir. Lauter Sachen, die ich noch nie gegessen hatte. Danach gab es blutiges Steak mit Spargel und in Schokolade getauchte Kirschen. Doch mir schlug die ganze Zeit das Herz bis zum Hals, sodass ich nicht allzu viel Appetit hatte. Vor dem Restaurant begrüßte uns der Frühsommer, und Mickey kaufte mir an einem süß duftenden Stand am Piccadilly Circus Wildrosen, einen so großen Strauß, dass ich ihn kaum halten konnte. Dann pfiff er nach einem Taxi und leckte den Blutstropfen von dem Finger, der allzu intime Bekanntschaft mit den Dornen geschlossen hatte. An jenem Abend nahm er mich zum ersten Mal nach Hause mit, nach Blackheath. Er ließ mich ein in seine Welt, die Maske war ein klein bisschen nach unten gerutscht.
    Er zog sich um und goss uns dann beiden einen Drink ein. Ich ging hinaus in den prachtvollen Garten und genoss die kühle Nachtluft. Als ich durch die Hintertür trat, bemerkte ich an der Wand das Foto eines kleinen Jungen in Jeans. Er lachte in die Kamera, ein Vorderzahn fehlte. Sein freches Grinsen unter dem Topfhaarschnitt bezauberte mich. Er hatte sich Taubenfedern hinter die Ohren gesteckt. Bestimmt war er eine mutige Rothaut.
    »Wer ist das?«, wollte ich wissen und zeigte nach drinnen auf das Bild, als Mickey mir in den Garten nachkam. Er drehte sich nicht um.
    »Mein großer Bruder Ruari.« Ich spürte, wie seine Finger sich um meine schlössen, als er mir das Glas reichte.
    Später legte er Musik auf und tanzte mit mir durch die Küche. Ich ließ mich gegen seine Brust sinken und sog seinen betörenden Duft in mich ein.
    »Dein Bruder. Wo ist er jetzt?«, fragte ich leise, doch irgendwie wusste ich schon, was er antworten würde.
    »Er …« Er nahm einen Schluck von seinem Whisky und richtete sich auf. »Er ist gestorben. Bald nachdem dieses Bild gemacht wurde. Er war erst acht.« Ein Muskel zuckte in seiner Wange.
    »O Gott, es tut mir so leid, Mickey.«
    »Ja, mir auch. Er ertrank. Beim Fischen. Der Blödian wollte unbedingt den größten Fisch kriegen. Dafür hat er sogar die Schule geschwänzt.« Er schüttete den Rest seines Whiskys in einem Zug hinunter und ging wieder auf die Veranda hinaus. Ich wartete und beobachtete ihn. Eine ganze Weile schien er, glaube ich, vergessen zu haben, dass ich überhaupt da war.
    »Dabei waren wir die besten Freunde. Aber an diesem Tag war ich nicht dabei.« Er lehnte über dem Geländer, starrte in die Dunkelheit und sprach mehr zu sich selbst als zu mir. »Von manchen Dingen … erholt man sich nie. Weißt du, was ich meine? Meine Mutter jedenfalls hat es nie verwunden. Am Ende hat es sie umgebracht.«
    Ich ging zu ihm hinaus, schlang meine Arme um ihn und legte meinen Kopf auf seinen warmen Rücken. Ich spürte sein Herz durch den weichen Kaschmirpullover schlagen. Ich wollte mehr von diesem Mann. Wie sehr ich auch dagegen ankämpfen mochte, sobald er sich nur ein wenig öffnete, nahm mein Herz ihn auf.
    Am Morgen war ich gesättigt, vollkommen ausgelaugt, und doch wollte er immer noch mehr. Ich war weich und nachgiebig unter seinen Händen, klebrig vor Lust und noch halb im Schlaf. Doch ich gab mich ihm hin, als seine Finger auf mir zu spielen begannen, wie auf einem Instrument, das nur zu seinem Vergnügen erschaffen worden war. Er sah mich mit einer Intensität an, die mir neu war und

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