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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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immer tat. Heute stand ich nur am Kopfende des Tisches und starrte sie an. Ich war so verwirrt, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte. Mittlerweile schmerzte auch mein Magen.
    »Setz dich, Kleines. Himmel, du siehst ja furchtbar aus. Ich hab dir einen Kaffee geholt«, sagte sie und schob mir den Becher hin, »aber vermutlich ist er mittlerweile kalt.« Ich hatte das deutliche Gefühl, dass sie über mich gesprochen hatten.
    »Schön, dass Sie wieder auf den Beinen sind. Wie fühlen Sie sich, Kindchen?«, fragte Silver lässig. Ich nickte mit wackelndem Kopf, um ihm zu signalisieren, dass bei mir alles bestens war. Dabei konnte ich mich nicht von dem Gedanken lösen, dass ich, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, in den Rinnstein gekotzt hatte. Er stand auf und streckte sich. Ich ließ mich schwer auf seinen Stuhl fallen. Wie bleich und unbedeutend ich doch neben Shirl wirken musste. Bläulich und verwaschen wie Magermilch.
    »Wie geht’s denn Ihrem Mann?« Er benutzte das Fenster als Spiegel und rückte seine Krawatte zurecht. Versuchsweise nippte ich am Kaffee. Er war kalt und schmeckte abgestanden.
    »Wohl ganz gut«, murmelte ich, »aber er kann sich an nichts mehr erinnern.« Ich schaufelte löffelweise Zucker in den Kaffee. »Er hatte nicht die geringste Ahnung, dass Louis vermisst wird.«
    »Nun ja«, meinte Silver, »Sie müssen ihm etwas Zeit geben. Er hat einen ordentlichen Schlag auf den Kopf bekommen, der arme Teufel. Ich werde ihn jetzt aufsuchen, wenn diese schreckliche Schwester mich zu ihm lässt.« Seine Worte klangen falsch in meinen Ohren.
    »Aber wir haben doch keine Zeit, oder?« Meine Stimme klang ein bisschen zu laut.
    »Was meinen Sie damit?« Ungerührt lächelte er weiter.
    »Zeit. Sie sagten, ich solle ihm Zeit geben, aber wir haben keine Zeit. Ich habe keine Zeit. Was passiert denn eigentlich bei Ihnen? Es gibt doch sicher irgendwelche neuen Entwicklungen?«
    »Sie meinen, was passiert ist, seit Sie uns umgekippt sind?« Jetzt schwand das Lächeln allmählich.
    »Das war nur ein Versehen«, murmelte ich beschämt.
    »Ja, aber eines, das Ihnen ziemlich leichtfiel.«
    »Bitte«, ich sah ihm direkt in die Augen. »Es war wirklich ein Versehen. Es tut mir leid, wenn ich Sie … Sie wissen schon … erschreckt habe.«
    Er hielt meinem Blick stand. »Das haben Sie. Wie auch immer, vergessen Sie’s. Wir haben ein paar gute Hinweise, aber ich muss zuerst mit Ihrem Mann sprechen. Ich halte Sie auf dem Laufenden.« Er nahm sein Handy und sein Päckchen Kaugummi vom Tisch auf. »Passen Sie beim nächsten Mal einfach besser auf, in Ordnung? Sie haben mir einen gehörigen Schrecken eingejagt.«
    »Das können Sie laut sagen«, warf Shirl, die Verräterin, ein. Silver verschwand in der Menge. »Aber es ist ja nichts passiert, hoffe ich zumindest«, meinte Shirl. »Was möchtest du jetzt tun, Süße?«
    Mein knappes Sommerkleid flatterte im Luftzug der Klimaanlage, und ich fröstelte. »Ich nehme an, ich sollte nach Hause fahren.«
    »Gut. Lass uns hier verschwinden«, gab Shirl zurück. »Ich hasse Krankenhäuser sowieso. Ich bekomme hier immer eine Gänsehaut.« Sanft schob sie mich vor sich her um den Resopaltisch herum und auf die winkende Deb zu. »Ich bin sicher, der nette Polizist kommt zu dir und sagt dir, was du tun sollst.«
    »Wunderbar«, schnaufte ich und stampfte auf den Parkplatz hinaus. »Ich kann’s gar nicht erwarten.«
    Doch wie es der Zufall so will, sollte ich Silver an diesem Tag nicht mehr begegnen. Deb fuhr Shirl und mich nach Hause. Ich zitterte auf dem Rücksitz und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie frustriert ich war. Deb versicherte mir, dass die hohe Zahl der Anrufe, die mein Appell ausgelöst hatte, durchaus positiv zu werten war. Im Moment säßen mehrere Teams daran, um aus der Menge die wirklich brauchbaren Hinweise herauszufiltern.
    Als wir vor dem Haus anhielten und ich die Autotür öffnete, hörte ich Stimmen, die meinen Namen riefen. Sie wurden lauter und lauter. Ich sprang heraus und wäre fast über meine eigenen Füße gefallen.
    »Louis!«, schrie ich, während ich mich wieder aufrichtete. Vor mir stand eine Meute von Fotografen und Fernsehleuten. Die Presse eben.
    »Jessica, wie fühlen Sie sich?«
    »Gibt es schon Neuigkeiten?«
    »Was ist mit Mr Finnegan?«
    Deb legte mir den Arm um die Schulter. Shirl flankierte mich von der anderen Seite.
    »Meine Damen und Herren, bitte. Mrs Finnegan braucht jetzt Ruhe. Nächsten Morgen wird es eine

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