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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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auf der Zunge tragen. Ich wusste nicht einmal, ob sie einen Freund hatte.
    Ihr Mobiltelefon klingelte. Ich starrte zu dem Mann hinaus, der die Heidewiesen mähte und mit seinem Rasenmäher vollkommen runde Kreise zog. Plötzlich war in Debs Stimme wieder Anspannung zu hören. Als sie auflegte, trat sie zum Spiegel und richtete sich den Kragen.
    »Wir sind zu spät. Der Chef ist ein bisschen – ungehalten.« Zuerst hatte ich das Gefühl, sie wolle nur einfach Silver keinen Anlass bieten, sie zu rüffeln. Alle schienen ihn irgendwie anzubeten, das ganze Team. Vielleicht hatten sie aber auch Angst vor ihm. Ich war noch nicht dahintergekommen. Die Meute der Presseleute vor dem Haus war auf einen einzigen Typen mit Kamera zusammengeschmolzen. Er hielt eine Ausgabe des Mirror und einen Taschenflakon in der Hand. Es langweilte sie also schon. Als Deb mich eilig zum Wagen eskortierte, merkte ich, dass etwas passiert sein musste.
    »Was ist denn los, Deb?«
    Sie warf mir einen kläglichen Blick zu. »Es geht um die Videoüberwachung in der Tate Gallery. Offensichtlich gibt es da eine Störung.«
    »Eine Störung?«
    »Sie schneidet jede Stunde zehn Minuten ab. Dummerweise waren das gerade die zehn Minuten, in denen Mickey das Gebäude verließ. Auf den Bändern ist keine Spur von ihm zu sehen.«
    »Fantastisch!« Den Rest des Weges legten wir schweigend zurück.
    In der Polizeidienststelle brachte man mich zu dem Raum, wo ich erneut vor die Kameras treten sollte. Die Tatsache, dass ich Louis nun gesehen hatte, machte meinen Auftritt leichter und schwieriger zugleich. Ich hatte das Bild einer Frau im Kopf, die sich um ihn kümmerte, als wäre er ihr Kind. Seine winzigen, zappelnden Fingerchen rissen mein Herz langsam in Stücke. Ich konnte mich nicht auf die Gesichter vor mir konzentrieren. Andererseits war ich nicht in der Lage, das Ausmaß meiner Verzweiflung zu zeigen. Silver redete. Dann stand eine Journalistin mit Leberflecken, Schnittlauchhaaren und Hüftjeans auf und stellte sich vor.
    »Lynn Werthers, Evening News. Was Sie durchmachen, tut mir schrecklich leid. Es muss furchtbar sein, nun zu den Eltern zu gehören, die solch einen tragischen Verlust erlitten haben …«
    Ich spürte förmlich, wie Deb neben mir die Stirn runzelte. Silver schob sich die Krawatte zurecht. Mein Herz raste wie bei einem durchgehenden Pferd.
    »Wie meinen Sie das …«
    »Verzeihung, Mrs Werthers«, schnitt Silver mir das Wort ab und legte vor allen Leuten seine kühle Hand auf meine. »Tragischer Verlust ist in diesem Fall wohl kaum der passende Ausdruck …«
    Einen Moment lang schnappte die Journalistin nach Luft, dann lief sie feuerrot an. Die Farbe schien ihre Leberflecken zu einem Pünktchenmuster zu verschweißen. Sie ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Unwillig bemerkte ich, dass ich mich an Silvers Hand klammerte wie eine Ertrinkende. Es war so heiß und stickig in dem Raum, dass ich den Schweiß jedes Einzelnen hier riechen konnte und sah, wie er in einer dampfigen Wolke aufstieg. Ich war der Panik nahe. »Tragischer Verlust«, der Ausdruck hatte sich mittlerweile unauslöschlich in mein Gehirn gebrannt.
    »Bitte«, ich unterbrach eine andere Journalistin, die um eine Beschreibung meines Gefühlszustandes bat. Ich beugte mich vor zum Mikrofon, was dieses zum Dröhnen brachte. Doch meine Stimme übertönte das Pfeifen. »Bitte, wer immer Sie auch sein mögen, geben Sie mir meinen Sohn zurück. Er braucht seine Mutter. Ich brauche ihn. Ich kann … ich kann ohne ihn nicht leben.« Dann stand ich auf und lief aus dem Raum, viel zu schnell im Übrigen, sodass ich mir den Ellbogen am Türrahmen anstieß. So hart, dass ich den Schlag noch im Kiefer spürte.
    Deb versuchte, mich zu beruhigen. Immer wieder versicherte sie mir, dass alles wirklich gut lief, ehrlich. Wir warteten auf Silver. Ich versorgte meinen pochenden Ellbogen, während ihre Stimme an- und abschwoll. Sie erzählte, dass die Telefone erneut heiß liefen. Es gebe einige sehr vielversprechende Spuren. Schließlich tauchte Silver am Ende des Flurs auf. Er hielt eine Getränkedose in der Hand und wurde von einer jungen rothaarigen Polizeibeamtin in Uniform begleitet. In Gedanken hielt ich die beiden an, sich ein wenig zu beeilen, während Deb weitersprach. Warum zum Teufel brauchte er so lange? Das Mädchen strahlte ihn an, dass ich das Gefühl hatte, mich kratzen zu müssen. Als sie stehen blieb, rieb sie mit einem Fuß kokett an ihrer Wade. Nach ein paar Minuten verzog sie

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