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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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sich, und Silver kam zu uns herüber.
    »Also, Jessica. Ich hätte eine kleine Frage. Antworten Sie darauf wie ein gutes Mädchen, das Sie ja sind.«
    Manchmal war er einfach seiner selbst so verdammt sicher, dass allein das mein Blut schon in Wallung brachte.
    »Ich werde mein Bestes tun.« Doch tief in mir drin brauchte ich diese Sicherheit mehr als alles andere, wenn es um meinen Sohn ging. Er war immer so unerschütterlich, und seine Motive schienen stets über jeden Zweifel erhaben, irgendwie – rein. Er war so ganz anders als die meisten Männer, die ich bis jetzt kennen gelernt hatte.
    »Gut. Deb hat Ihnen doch von dem Kuddelmuddel mit der Überwachungsanlage erzählt. Dummerweise gibt es auf den Bändern keine Spur von Mickey oder Louis, wie sie das Gebäude verlassen, obwohl deutlich zu sehen ist, wie Sie zusammen ankommen.« Er trank seine Dose leer und warf sie dann leichthändig in den Abfalleimer. Allmählich stellte sich in meiner Brust das Gefühl drohenden Unheils ein. »Aber Sie sind des Öfteren zu sehen, wie Sie durch den Haupteingang hinein- und hinausgehen. Allein.«
    »Des Öfteren?«, fragte ich verwirrt.
    »In Ihrer ursprünglichen Aussage hieß es doch, Sie seien nur einmal rausgegangen.«
    »Ja, das ist richtig.«
    »Nun, auf dem Band sind Sie mindestens zweimal zu sehen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Verlor ich nun auch noch meinen Verstand? »Es war nur einmal, ich schwöre.«
    Silver sah mich fest an. »Und Sie sind absolut sicher?«
    »Ja, ich bin absolut sicher.«
    Deb trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen, während Silver nachdenklich sein Ohr rieb. »Gut. Dann lassen wir das für den Augenblick.«
    Für den Augenblick. Ich wechselte das Thema und stellte die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte. »Wer sind diese Leute, die behaupten, Louis gesehen zu haben?« Ich hatte es versucht, doch ruhig hatte das nun nicht gerade geklungen. Er sah auf mich hinunter und wiederholte im Wesentlichen, was Deb gesagt hatte. »Ich kann Ihnen nicht alles sagen, das hat mit der Untersuchung zu tun, wissen Sie. Aber Sie sollten sich darüber nicht so aufregen. Da draußen gibt’s eine Menge Spinner. Das wissen Sie doch, Kindchen, oder?«
    Verzweifelt ließ ich mich in meinen Stuhl zurücksinken. »Zuerst redet ihr mir ein, die ganzen Telefonanrufe seien ein gutes Zeichen, und jetzt heißt es, sie hätten alle einen Sprung in der Schüssel.«
    »Mir ist schon klar, wie frustrierend Sie das alles finden müssen. Aber was im Moment passiert, Jessica, ist wirklich gut. Ich weiß, dass das schwer zu glauben ist, aber vertrauen Sie uns. Können Sie das, Kindchen?«
    Ich starrte über seinen Kopf hinweg. Einmal mehr sammelte sich das Wasser in meinen tränenmüden Augen. Lieber Gott. Nicht schon wieder.
    »Deb, Sie brauchen eine Pause. Fahren Sie nach Hause, und ruhen Sie sich aus.« Sie hatte den Mund schon zum Protest geöffnet, doch er scheuchte sie mit einer Handbewegung fort. »Ich bringe Jessica zurück. Ich muss sowieso mit ihr reden.«
    Zehn Minuten später saß ich wieder in seinem Wagen, der ewige Beifahrer. Er bot mir einen glänzenden Apfel an, was ich dankend ablehnte. Also biss er hinein. Probleme mit den Zähnen schien er nicht zu haben, denn der Saft spritzte bis aufs Armaturenbrett. Auch auf meinem Arm landeten ein paar Spritzer, was sich seltsam intim anfühlte. Draußen war es so heiß, dass die Hitze schimmernde Wellen über die Straße malte.
    »Wir machen wirklich Fortschritte.« Er warf das Kerngehäuse aus dem Fenster. »Und ich begreife auch, dass das ewige Herumsitzen Sie wahnsinnig macht.« Er sah auf mich herab. Die gelben Sprenkel in seinen Augen funkelten im Haselnussbraun. »Kommen Sie. Ich lade Sie auf einen schnellen Drink ein, und wir reden über alles.«
    »Ich sollte eigentlich Mickey besuchen«, wandte ich halbherzig ein.
    »Ach, sollten Sie das«, antwortete er in möglichst gleichmütigem Tonfall, was in mir sofort Schuldgefühle aufsteigen ließ. Vermutlich war mittlerweile jedem klar, dass ich nicht der Florence-Nightingale-Typ war.
    »Ich kann nicht … ich bin nicht so gut im Krankenhaus«, murmelte ich.
    »Nun ja, im Normalfall ist das ja auch kein angenehmer Ort.«
    Längere Zeit fiel kein Wort. Meine Haare, die im Fahrtwind wirbelten, kitzelten mein Gesicht. »Das hängt mit meinem Vater zusammen, wissen Sie«, versuchte ich schließlich zu erklären.
    »Aha«, sagte er. Pause. »Was ist mit Ihrem Vater passiert?«
    »Seitdem bin ich

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