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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Pauline das letzte Mal gesehen hatte, waren die Umstände nicht gerade glücklich gewesen. Sie hatten mich wenige Monate nach Louis’ Geburt besucht. Und obwohl dies ein netter Besuch war, verlief er doch nicht so, wie er sollte. Sie hatten einen wunderschönen Blumenstrauß besorgt und eine kleine Tiffany-Tasse mit Louis’ Namen darauf. Dazu noch hübsch verpackte Babysachen von GAP. Als Freddie dann das Wohnzimmer betrat, in dem ich aufgelöst mit dem heulenden Louis saß, malte sich Entsetzen auf ihr Gesicht. Gewaltsam drängte ich die Erinnerung beiseite. Freddie zog sich ins Schlafzimmer zurück.
    Pauline seufzte ein wenig und sah ihrer Freundin sehnsüchtig nach.
    »Der nette Polizist aus dem Norden war gerade eben am Telefon. Er hat noch mehr Fragen gestellt«, sagte sie schließlich und sah mich an. »Du hast also heute Morgen mit ihm gesprochen?«
    Ich nickte. Sie sprach weiter.
    »Sie wollten Kopien von Mickeys Dateien. Von allem, was ich hatte. Ich habe es hier ausgedruckt und ihnen gefaxt. Und so haben sie herausgefunden …« Sie wurde ein bisschen rot. Lieber Gott. Ich war nicht daran gewöhnt, Pauline durcheinander zu sehen. Es machte mir ein bisschen Angst.
    »Ich habe gehört, dass er … dass er sich mit Agnes treffen wollte«, sagte ich unverblümt.
    »Ja, ich meine, ich weiß nicht, ob er sich wirklich mit ihr getroffen hat, weil ich damals gerade auf dem Mittelmeer herum schipperte.« Hoffnung lag in ihrer Stimme. »Wir hatten ohnehin schon ein ernstes Gespräch darüber, als … Nun ja, ich fand einfach, dass das eine völlig bescheuerte Idee war. Und das habe ich ihm auch gesagt.«
    »Wann?«, fragte ich hilflos.
    »Als Agnes zu ihm ins Büro kam, um ihn zu sehen, Schätzchen. Ich fand es verrückt, was er tat, weißt du.«
    Ich stürzte den Kaffee hinunter und stand auf. Dann ging ich zur Balkontür hinüber und riss sie auf, so weit ich nur konnte. Tief ein- und ausatmen. Nur dass die Schwüle mir nicht viel Luft zum Atmen ließ. Es war so drückend heiß, dass ich allein vom Dastehen schon schwitzte.
    »Also, mal sehen, ob ich alles richtig verstanden habe«, sagte ich langsam, während ich auf den düsteren Kanal hinunterblickte. Zwei unten vorbeigehende Gothic Girls in für die Hitze wenig passendem Schwarz löschten ihren Durst mit Dosenbier. »Nicht nur, dass mein Sohn vermisst wird und vermutlich gekidnappt wurde, mein Mann trifft sich hinter meinem Rücken auch noch mit seiner Ex-Frau. Mit der Frau, die er angeblich so sehr hasst, dass er nicht einmal ihren Namen aussprechen kann?« Ich drehte mich um. Pauline drehte an dem gepiercten Stein in ihrer Nase.
    »Sieh mal, Kleines, du musst versuchen, das zu verstehen. Sie hatten eine sehr … stürmische Beziehung. Sehr … wie sagt man doch gleich … ›wechselhaft‹. So wie ich und Claudia, weißt du noch? Du wusstest doch Bescheid, oder? Über Mickey und Agnes?«
    Nun war es mit meiner Würde ohnehin schon dahin. »Eigentlich nicht, Pauline. Ich weiß überhaupt nicht viel über Agnes. Nur, dass sie in ihrem Job super war und aus einem sehr kalten Land kam.«
    »Norwegen.«
    »Also dann Norwegen.«
    Ich versuchte, die Neuigkeiten zu verarbeiten, herauszufinden, was ich fühlte. Nein, eigentlich wusste ich genau, was ich fühlte. Wut. Nein. Schlimmer: Ich war unglücklich.
    »Ich meine …«, fuhr ich fort. Jetzt war es auch schon egal. »Er hat einfach nicht über sie gesprochen. Wirklich nie. So als wäre das Ganze zu schmerzhaft für ihn. Und ich … ich wollte ihn nicht drängen. Wenn er nicht über sie reden will, ist das auch in Ordnung.«
    »Nun, Mickey trägt sein Herz nun mal nicht auf der Zunge«, gab Pauline zurück.
    »Das kannst du wohl sagen. Aber trotzdem …« In meinem Gehirn galoppierten die Gedanken wild dahin. »Warum nur … ich verstehe einfach nicht, warum er sich dann jetzt mit ihr treffen will. Nach all der Zeit?«
    »Ich bin sicher, dass es dafür eine ganz einfache Erklärung gibt. Natürlich haben die beiden sich sehr geliebt, aber …« An diesem Punkt registrierte sie meinen finsteren Blick und streckte ihre mit fluoreszierendem Nagellack verschönerte Hand nach mir aus. »Nein, bitte … lass mich das erklären, Jessica. Es ist besser, du begreifst das. Sie liebten sich, aber sie machten sich gegenseitig kaputt. Die Beziehung war der absolute Horror. Sie haben nur gestritten, Schätzchen. Das Beste, was sie je getan haben, war es, sich zu trennen. Ich bin sicher, Mickey wollte sie nur sehen, um das eine

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