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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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in Clapham. Dem Frog & Forget me not. Du weißt schon. Ich glaube, in Wirklichkeit hieß er Keith.«
    »Du bist schrecklich! Merlin hatte furchtbare Zähne und eine Augenklappe.«
    »Ja, aber das hat dich nicht abgehalten. Mum hat dich erwischt, als du hinter der Garage mit ihm rumgeknutscht hast, erinnerst du dich?«
    »Nein, tue ich nicht.«
    »Tust du doch!«
    »Nun ja, aber da hatte ich ein wenig zu viel Cider getrunken.« Jetzt brachen wir beide in Kichern aus. Er ließ sich aufs Bett zurückfallen und strampelte mit den Beinen in der Luft, als er in schallendes Gelächter ausbrach. Und ich liebte ihn wie früher. Doch Robbie schaffte es, diese Gefühle in einer Sekunde zu zerstören.
    »Aber jetzt mal ernsthaft, Jess. Der Typ meint, er könnte uns helfen. Er kennt diesen und jenen. Wenn wir ihm eine kleine Aufmerksamkeit zukommen lassen, würde er …«
    »Natürlich, irgendein Haken musste da ja sein.«
    »Was?«, fragte er, ganz die Unschuld vom Lande. Er fischte den Tabak aus seiner Jacke und fing an, sich eine Zigarette zu drehen. Seine Fingernägel waren schmutzig und eingerissen. Die Nikotinflecken bedeckten seine Hand wie Leberflecken.
    »Ach, komm schon, Robbie! Eine ›kleine Aufmerksamkeit?«, äffte ich ihn nach.
    Wütend streifte ich mir den Slip über und fiel dabei fast hin. Ich hielt mich an seinem Knie fest. Dann stapfte ich zur Kommode hinüber, zog eine der Schubladen auf und holte ein sauberes Top heraus. Dazu Jeans-Shorts mit abgeschnittenen Hosenbeinen. »Was soll denn das heißen: ›eine kleine Aufmerksamkeit? Wenn ich dir Geld gebe, dann gehst du hin und gibst es für etwas aus – das du nicht zu dir nehmen solltest, und dann tust du so, als hättest du es diesem Typ gegeben. Natürlich werde ich nicht einen Penny davon wiedersehen. Dich ja vielleicht auch nicht.«
    »Du hältst nicht viel von mir, nicht wahr?«, sagte Robbie traurig. Er hatte eine so helle Haut, dass man immer sofort sah, was in ihm vorging. Dieses Mal lief er rot an. Als er über seine Zigarette leckte, hielt er den Blick gesenkt. Offensichtlich wollte er Zeit gewinnen. Ich spürte, dass er nicht recht wusste, ob er wütend werden oder sich von meinem Mangel an Vertrauen tief getroffen zeigen sollte. Das hatte er schon so gemacht, als wir noch klein waren. Er entschied sich immer für die wirkungsvollste Strategie. Doch vielleicht war ich auch nur zu misstrauisch, denn taten wir letztlich nicht alle das Gleiche?
    »Ich weiß, was du denkst, Robbie.« Es war schon wieder ziemlich heiß. Die Wimperntusche begann, mir im Auge zu verlaufen. Wütend wischte ich sie ab. »Wenn das alles ist, was du mir sagen wolltest, dann solltest du jetzt vielleicht gehen.«
    »Aber ich meine es ernst. Ich glaube wirklich, dass der Kerl dir helfen könnte. Und ich nehme nichts. Ich schwöre. Das habe ich schon seit … Jahren nicht mehr gemacht.«
    »Aber natürlich …«
    »Das ist die Wahrheit.«
    Ich sah ihn an. »Was zum Teufel hast du gestern in der Wohnung beim Bahnhof Elephant & Castle gemacht? Etwa Tee getrunken?«
    Wir hatten noch nie über diese Drogengeschichte gesprochen. Die ganze Familie tat so, als gäbe es sie nicht. Es war einfacher so – zumindest für meine Eltern. Ich hatte ein- oder zweimal versucht, mit Robbie darüber zu reden, wenn ich ihn mal wieder in einer verfänglichen Situation erwischt hatte, doch er hatte es immer strikt geleugnet. Natürlich wusste ich, dass er als Jugendlicher, nach dem letzten Absturz seiner Familie, fast alles geschluckt hatte – Speed, Downer und Vitaminpillen. Da wir uns das Zimmer teilten, war es gar nicht so schwer, seinen wöchentlichen Vorrat von was auch immer zu finden. Ich warf das Zeug meist weg, was ihn immer sehr wütend machte.
    »Ich hatte geschäftlich dort zu tun.« Einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, er würde gleich anfangen zu weinen. Seine Stimme hatte die Tonlage eines unglücklichen Kindes, das die ganze Welt gegen sich glaubte. Ich zwang mich dazu, härter mit ihm umzuspringen, was meinen Instinkten zuwiderlief.
    »Rob, hör mal. Wenn du wirklich glaubst, mir helfen zu können, dann bin ich dir dankbar. Aber ich werde keinen Pfennig Geld ausspucken, damit du es irgendwelchen obskuren Typen in Soho geben kannst. Wenn du mir helfen willst, dann gib du ihm das Geld, und wir sehen einfach, was daraus wird. So machen wir’s.«
    »Aber …« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Ich spürte seine Verzweiflung.
    »Aber was?«
    »Ich habe kein Geld mehr.

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