Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
Vom Netzwerk:
Soho?«, fragte er. Seine Stimme war leise und monoton. Ich musste mich anstrengen, um ihn angesichts des Rauschens der Lüftung überhaupt zu hören. Seine Kopfhaut schimmerte rosa unter den spärlichen Strähnen fettigen schwarzen Haares. Höflich wie immer wiederholte er die Frage.
    Ich runzelte die Stirn, als müsse ich nachdenken. »Nein. Außer, dass ich da eine Menge Drinks in mich reingekippt habe, als ich noch …«Ich wollte sagen »jünger war«, in Wirklichkeit aber war das erst vor gut einem Jahr gewesen. Bevor ich Mickey kennen lernte, bevor ich so unglaublich schnell schwanger wurde. »Eigentlich nicht. Mickeys Büro liegt in Soho. Warum?«
    Kelly sah Silver an. Dieser klopfte mit seinem Kugelschreiber auf seine makellosen Zahnreihen. »Alles zu seiner Zeit, Kindchen. Denken Sie noch einmal nach. Gründlich dieses Mal.«
    Eifrig durchkämmte ich mein Gedächtnis, doch mir wollte nichts einfallen. Unglücklich schüttelte ich den Kopf, doch Silver lächelte mich an.
    »Macht ja nichts. Wir folgen einer Spur. Den Jungs, die das Video analysiert haben, ist etwas aufgefallen, etwas, was wir ursprünglich für einen Aufnahmefehler hielten. Aber es scheint einen Hinweis darauf zu geben, wo das Video aufgezeichnet wurde.«
    Dieses Rätselraten frustrierte mich nur noch mehr. »Bitte, erklären Sie mir doch, was Sie meinen.« Ich beugte mich zu Silver vor, doch dieser lächelte nur geheimnisvoll. »Das werde ich tun, sobald ich mehr weiß. Ich möchte Ihnen keine falschen Hoffnungen machen.« Er warf seinen Stift auf den Tisch. »Das ist alles im Moment, Jessica«, sagte er förmlich. »Deb wird Sie nach Hause bringen.«
    Sofort sprang Kelly auf und verließ den Raum. Silver brachte mich zur Tür. Einen Augenblick lang sah er auf mich herunter, als wäre ich ein verdächtiges Paket.
    »Machen Sie ihr etwa Ärger?«, fragte er ruhig.
    »Wem?«, gab ich überrascht zurück.
    »Deb.« Durch die Glastür sah ich sie draußen stehen und an ihren Fingernägeln herumzupfen. Sie spürte wohl meinen Blick, denn sie sah auf und winkte.
    »Sie ist nur da, um Ihnen zu helfen, das wissen Sie doch wohl, oder?«
    Ich spürte ein nagendes Schuldgefühl. »Ja, natürlich weiß ich das, herzlichen Dank.« Natürlich würde ich niemals zugeben, dass ich ein ziemliches Biest sein konnte. »Warum? Hat sie sich beschwert?«
    »Nein. Sie mag Sie. Mir ist nur aufgefallen, dass Sie gelegentlich ein wenig … harsch zu ihr sind.«
    Ich war entsetzt. Hatte ich das wirklich nicht besser verbergen können? »Wirklich? Lieber Himmel, das ist nicht meine Absicht. Wissen Sie, es ist einfach seltsam, dauernd jemanden bei sich zu haben, der nach einem sieht. Aber ich möchte nur endlich meinen Sohn zurückhaben. Ich bin verzweifelt, weil er nicht bei mir ist, und alles scheint so unendlich langsam zu gehen. Es ist, als lebte man auf Messers Schneide. Wirklich.«
    Ich war ganz stolz auf meinen Vergleich. »Im Moment fehlt es mir an Balance. Das ist alles.«
    »Wir tun unser Bestes, Jessica. Ich verspreche es. Und ich werde Sie auf dem Laufenden halten.«
    »Wissen Sie, jetzt ist es schon eine ganze Woche her. Siebeneinhalb Tage, seit ich meinen Sohn zum letzten Mal gesehen habe.«
    »Ich weiß.«
    »Statistisch betrachtet ist das doch ein schlechtes Zeichen, oder?«
    Er sah mich freundlich an. »Ich glaube, dass jeder Fall einzigartig ist, Jess. Man kann nicht generell sagen, wie und wann gekidnappte Kinder wiedergefunden werden.«
    Ich wollte aber noch nicht gehen. »Wissen Sie, manchmal …« Die Worte sprudelten regelrecht aus mir heraus. »Manchmal fühle ich mich, als hätte ich den Verstand verloren. Vollkommen. Ich weiß nicht mehr, was ich mit mir anfangen soll. Ich habe das Gefühl, als sollte ich rund um die Uhr draußen nach ihm suchen. Und dann meine ich wieder, ich müsse ständig zu Hause bleiben und auf ihn warten. Ich finde keine Ruhe mehr. Ich kann mich nicht entspannen, kann nicht essen oder schlafen. Mein Gott!«
    Silver tätschelte mir den Kopf, als wäre ich ein kleines Kind. »Halten Sie bitte durch. Sie machen das großartig.« Dann trieb er mich aus der Tür wie ein geschickter Schäfer und schloss sie hinter mir. Bevor sie ins Schloss fiel, schob ich meinen Fuß dazwischen. »Was ich noch fragen wollte: Haben Sie Mickeys Exfrau mittlerweile? Agnes?«
    Seine Augen verengten sich. »Warum machen Sie sich deshalb so viele Sorgen? Die Frau scheint Ihnen ja gar nicht mehr aus dem Kopf zu gehen«, fragte er mich und sah mir

Weitere Kostenlose Bücher