Morgen ist der Tag nach gestern
Stöpsel ihres MP3-Players in den Ohren
.
Ich sprang auf und rannte los, nahm mit jedem Schritt zwei Stufen auf einmal
.
Er sieht es noch vor sich. Die dunkelblaue Tagesdecke mit silbernen Monden und goldenen Sternen über das Bett gelegt. Am Kopfende Sanna, Miriams Stoffpuppe, die sie in ihren ersten Lebensjahren immer mit sich rumgeschleppt hatte und die auch heute noch nachts nicht fehlen durfte. Auf dem Schreibtisch lagen Schulbücher und Hefte. An der Wand ein Poster von Robbie Williams neben einem Bild von Ariel der Meerjungfrau. Das Fenster war gekippt. Ein leichter Wind blähte die hellblaue Organzagardine.
In Augenblicken wie diesen sucht man selbst dort. In Augenblicken wie diesen, schiebt man durchsichtige Vorhänge beiseite, in der Hoffnung, das Kind spiele einem einen Streich und habe sich dahinter versteckt. Mit der gleichen Hoffnung öffnet man Schränke und schaut unterm Bett nach.
Miriam hätte ein solches Versteckspiel nie dermaßen auf die Spitze getrieben. Ich wusste das! Aber in solchen Augenblicken hofft man, sein Kind wäre fähig, ein derart böses Spiel zu spielen.
Er weiß noch, dass die Beamten ins Zimmer kamen. Er hatte am Fenster gestanden und das Licht am Horizont blassrot auf die Felder tropfen sehen.
Da habe ich es zum ersten Mal gedacht und seither immer wieder: Da draußen bist du. Wie ein Mantra sollte ich es in den nächsten drei Jahren täglich aufsagen: Da draußen bist du. Irgendwo da draußen. Ich finde dich Augenstern. Ich verspreche es!
13
Sie legen eine Pause ein. Es ist schon nach 21.00 Uhr. Bongartz hat angerufen. Der Tote ist identifiziert. Es ist eindeutig Gustav Horstmann. Auch Lembach hatte sich gemeldet. Beide wollen gegen 21.30 Uhr im Präsidium sein.
Joop und Achim nutzen die halbe Stunde, um beim Türken eine Kleinigkeit zu essen. Böhm zieht die Rollos hoch und öffnet die Fenster. Bleiches Restlicht liegt auf den heißen Dächern der Stadt wie eine Erinnerung an den vergangenen Tag. Die Dämmerung bringt keine Abkühlung. Gebäude, Straßen und Plätze haben die Hitze des Tages aufgesogen und schicken sie nun wieder in die Atmosphäre.
Böhm nutzt die Zeit, um Brigitte anzurufen.
Brigitte war vor zwei Jahren die rechte Brust entfernt worden. Wenige Tage später hatten sie Metastasen in den Lymphknoten gefunden. Sie war ein zweites Mal operiert worden mit anschließender Chemotherapie. Brigitte war von einem Mut und Lebenswillen gewesen, der ihn mitgezogen hatte.
Lembach erscheint als Erster. Er betritt den Raum mit seiner Müdigkeit. Mit diesen Schritten, denen jeder Meter zuviel ist. Joop und Achim kommen gemeinsam mit Bongartz herein. Sie stellen zwei weitere Stühle vor Böhms Schreibtisch. An der Wand hinter ihnen hängt die Gebietskarte, daneben an einer Magnetleiste Fotos und ein Grundriss des Horstmannhauses. Joop nimmt am PC Platz. Er wird Protokoll schreiben. Böhm lehnt an der Fensterbank.
„Ich würde gerne anfangen und dann nach Hause gehen. Egal zu welchen Erkenntnissen ihr heute noch kommt, ich kann sowieso nichts mehr machen.“ Bongartz sieht die Kollegen fragend an.
Böhm nickt ihm zu.
„Ja, okay. Fang an Kurt!“
Der Pathologe geht zu den Fotos hinüber.
„Der Tote ist eindeutig als Gustav Horstmann identifiziert. Man hat ihm aus nächster Nähe in den Hinterkopf geschossen. Es ist Bernd“, er nickt Lembach anerkennend zu, „gelungen, den Toten fast unversehrt zu bergen.“
Bernd Lembach wehrt großzügig ab. „Kein Problem. Hatten wir nicht um eine Kiste Bier gewettet?“
Bongartz grinst breit.
„DU wolltest wetten, Bernd. Ich nicht! Jedenfalls hatte die Kugel einen flachen Einschusswinkel. Sie hat den hinteren Schädel durchschlagen und ist im rechten Wangenknochen stecken geblieben. Der Mann war auf der Stelle tot.“ Wieder nickt er Lembach zu. „Ich habe das Geschoss zu dir ins Labor gebracht.“
Der greift sofort zum Telefon. Er sagt weder seinen Namen, noch irgendeine Höflichkeit. „Könnt ihr auf Dammers verzichten? … hmm … hmm … ich brauche ihn in der Ballistik. Wir haben die Kugel. Ja, natürlich jetzt. Er soll losfahren!“
Er legt auf. „Wäre zu schön um wahr zu sein, wenn wir die Waffe kennen würden.“
Bongartz fährt fort. „Das Becken ist mehrfach gebrochen, wahrscheinlich durch den Aufprall des Balkens auf den Körper. Auch die Schienbeinbrüche sind durch abstürzende Gegenstände verursacht worden. Die Bauchdecke ist durch die schnelle und hohe Wärmeentwicklung aufgeplatzt.
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