Morgen ist der Tag nach gestern
Glaskanne. Auf dem Kannenboden dümpelt noch eine blassbraune Pfütze Kaffee. Er hört, wie sie das Auto startet und davonfährt. Er zieht seine großzügig geschwungenen Lippen zu einem Lächeln, das die blauen Augen nicht erreicht.
Langsam steht er auf, öffnet die mit Eichenfurnier und Zierleisten auf rustikal gemachte Tür des Oberschrankes und nimmt einen dieser Kaffeebecher, auf denen Norderney, Rügen oder Las Palmas steht, heraus.
Mutter bringt aus jedem Urlaub eine solche Tasse mit. Selbst wenn sie nur eine Tagestour nach Amsterdam oder Düsseldorf macht. Immer gibt es einen Becher. Sie hat ihn gebeten eine Leiste an der Wand über dem Küchentisch anzubringen. Eine Leiste mit Haken, an denen sie alle Tassen aufhängen kann. „Ich habe so schöne Erinnerungen, wenn ich sie anschaue“, hat sie gesagt.
Er gießt den Restkaffee in den Sylt-Becher und geht zum Fenster über der Spüle. Er beugt seinen großen Körper vor, diesen Körper, der nicht dick ist, der aber eingehüllt ist in eine dünne Schicht aus Weichheit und Nachgiebigkeit, die er wie einen schlecht sitzenden Anzug trägt.
Vorsichtig schiebt er die Gardine ein kleines Stück zur Seite. Immer noch stehen die Gaffer am Straßenrand. Feuerwehrleute, Männer vom THW und ein paar Zivilisten begutachten die dampfende Ruine. Sie steigen über verkohlte Balken, verschwinden im Innern hinter rußgeschwärztem Mauerwerk, kommen wieder hinaus, reden, rufen, gestikulieren.
Frank beugt sich weiter vor. Das Garagentor steht jetzt offen. Er kann Horstmanns Mercedes sehen. Der große silberne Angebermercedes steht noch in der Garage. Nur, dass der nicht mehr silbern ist.
Er muss Horstmann nicht anrufen!
Er dreht sich um, nimmt aus dem Kühlschrank zwei Scheiben Weißbrot, Butter und Gouda. Erst frühstücken, dann die Wäsche und dann …! Normalerweise geht er im Laufe des Vormittags rüber. Im Haus lüften, die Zimmerpflanzen versorgen und abends den Garten wässern, oder Rasen mähen. Das ist jetzt vorbei. Alles ist jetzt vorbei und eigentlich ist er ganz froh darüber.
Wie lange die sich wohl noch auf dem Grundstück rumtreiben? Sicher werden sie kommen und ihm Fragen stellen.
Auf der Arbeitsplatte streicht er Butter auf das Brot. Den Käse legt er auf die Arbeitsfläche und schneidet die Rinde mit einer schnellen, geschwungenen Bewegung ab.
Mutter kann es nicht leiden, wenn er ohne Unterlage mit dem Messer über die Arbeitsplatte aus massivem Kiefernholz fährt. Es hinterlässt Kratzer im Lack. Die Stellen werden rau und mit der Zeit undicht. Es dringt Feuchtigkeit in das Holz und dann quillt die Platte auf.
Er legt die Käsescheiben auf das gebutterte Weißbrot, die zweite Scheibe Brot klappt er oben auf. Stehend schlürft er seinen Kaffee und kaut an dem Käsebrot.
Die Wäsche! Vielleicht mit einem ordentlichen Schuss Domestos in der Badewanne einweichen. Anschließend nochmal in die Waschmaschine.
Er wischt die Arbeitsfläche mit einem Spültuch ab, wäscht die Tasse und das Messer unter fließendem Wasser, trocknet sorgfältig ab und räumt alles in die Schränke zurück. Im Oberschrank dreht er die vordere Reihe der Becher mit dem Griff zur rechten Seite.
Wenn er rausgeht um die Wäsche abzunehmen, werden sie ihn sehen. Sie werden rüber kommen und Fragen stellen. Er schiebt seine Lippen vor und zuckt mit den Schultern. Na und! Er hat nichts zu verbergen.
7
Sie fahren gemeinsam in Böhms Mitsubishi. Die Klimaanlage gibt ihr Bestes, aber das Auto hat auf dem Hof gestanden und die angestaute Hitze im Wageninnern hüllt sie augenblicklich ein.
Böhm spürt, wie der Schweiß ihm den Rücken runterläuft. Er trägt nur ein Poloshirt, aber Steeg hat, ganz korrekt, sein Leinenjackett übergezogen. Er packt die Essensreste aus und sticht mit der Gabel nach den Bratkartoffeln.
Der Asphalt der Landstraße ist dampfend heiß. Alles scheint zu vibrieren und nimmt der Landschaft die Konturen. Luftspiegelungen lassen Wiesen, Stoppelfelder und Dörfer, die ausgestorben daliegen, wie Sinnestäuschungen vorüberziehen. Wie in leichtem Schlaf erlebte Traumbilder, von denen man ahnt, dass sie sowohl in den Traum als auch in die Realität gehören. Kühe kauen unter den wenigen Bäumen, dichtgedrängt.
Der Ort Ness beginnt an der Landstraße mit zwei Häuserreihen aus dunkelroten Backsteinen. Von hier gehen die kleinen, gewundenen Straßen nach rechts und links ab. Sie schleichen sich, an adretten Vorgärten vorbei, aus dem Dorf hinaus. Durch Felder
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