Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
Vom Netzwerk:
auf den Hof geprasselt.
    Die Eingangstür steht offen. Zu beiden Seiten sind Schaufenster, in denen Dessous und die Hüllen von Videofilmen ausgestellt sind.
    Er streicht sich noch einmal mit beiden Händen durch die feinen, blonden Haare, die verschwitzt an seinem Kopf kleben. Das kommt von dem blöden Helm.
    Hinter einem kleinen Flur schiebt er den braunen Vor-hang aus Kunstleder zur Seite. Nach links gehen die Kabinen ab, rechts sitzt Maja hinter ihrer provisorischen Theke auf einem Barhocker.
    Der schwere, sämige Geruch von Ejakulat und Schweiß, übertüncht mit einem Hauch von Desinfektionsmitteln, schlägt ihm entgegen.
    Er hasst es! Er will nicht hier sein. Es ist Jochens Schuld, dass er diesen Ort betreten muss. Maja, diese abgetakelte, alte Nutte, hat eine Korsage an, in der sie ihre leeren, hängenden Titten zusammengedrückt und hochgeschoben hat. Alte Haut, die sich in Falten legt. Darüber ein grellrot gemalter Mund, mit dem sie raucht und Männern zu Diensten ist.
    Er lächelt sie an.
    Sie taxiert ihn. Immer wenn er herkommt, taxiert sie ihn. Sie kann ihn nicht leiden, weil er ihre Dienste nicht in Anspruch nimmt. Sie kann ihn nicht leiden, weil sie spürt, dass er keiner ist, der zu den Huren geht.
    Maja war damals auch da gewesen. Sie hatte ihn abfällig gemustert, als er nach Jochen gefragt hatte. Sie hatte ihre Kippe auf den Aschenbecher gelegt und der Filter war rot gewesen von billigem Lippenstift. „Weiß nicht“, hatte sie mit dieser Arroganz gesagt, die nur Leute an den Tag legen, die selten Gelegenheit dazu haben. „Kann ja mal nachsehen. Wen darf ich denn melden?“
    „Einen Jugendfreund von Martin“, hatte er, wie verabredet, geantwortet. Dann war sie nach hinten gegangen und als Jochen einige Minuten später auftauchte, hatte der sie verjagt wie eine lästige Schmeißfliege.
    „Ist Jochen da?“
    „Nein! Der ist nicht da!“
    Er steht vor dem Tresen. Der Geruch nimmt ihm den Atem. Sie atmet hier jeden Tag. Jeden Tag zieht sie diesen fauligen, schweren Geruch in sich hinein. Sie stinkt aus jeder Pore. Er wendet sich ab.
    In ihrem Rücken, hinter dieser kleinen Tür, die wie eine Schranktür aussieht, ist der Durchgang. Da ist er schon oft durchgegangen. Da kann man nur durchgehen, wenn Jochen da ist.
    Er starrt auf den fleckigen Linoleumboden.
    „Wann kommt er denn?“
    Maja drückt ihre Zigarette im Aschenbecher aus. Der rotlackierte Fingernagel ihres Zeigefingers drückt die Glut zu Tode.
    „Keine Ahnung! Der war schon seit zwei Tagen nicht mehr hier. Hat nichts gesagt und ich hab jetzt den Ärger mit seinen Kunden!“
    Der Vorhang einer Kabine wird zurückgeschoben und ein junger, südländisch aussehender Mann geht eilig auf den Ausgang zu.
    Wunderbar! Seit zwei Tagen!
    Er nickt Maja zu und tritt auf den Hof. Jetzt muss er nur noch ins Internetcafé und Vorlagen für Zeugnisse finden.
    Er lächelt zufrieden. Sie bekommen alle, was sie verdient haben. Jochen, Horstmann und Mutter auch. Mutter bekommt ihre Zeugnisse!

    27
    Das Absperrband vor der Einfahrt ist entfernt worden. Böhm fährt bis vor die Garage, wo auch der Transporter der Spurensicherung parkt.
    Bleierne, warme Dunkelheit drückt auf das Gelände. Nur die Ruine liegt im Scheinwerferlicht wie eine surrealistische Kulisse aus einer morbiden Theaterinszenierung.
    Ein Kollege der Spurensicherung grüßt kurz, indem er eine Hand hebt. „Der Chef ist unten!“
    Der Keller ist über eine Treppe, die offensichtlich vom ehemaligen Flur abging, zu erreichen. Auf den Steinstufen liegen dicke Holzbohlen. Beton ist darunter abgesprungen. Einige der Stufenplatten sind gebrochen. Sie gehen einen mit Bauträgern abgestützten Gang entlang auf den Raum zu, aus dem Stimmen zu hören sind.
    Lembach sieht Böhm kurz an und dreht sich dann weg. In die Ecke des Raumes brummt er: „Tut mir leid, Peter. Das sollte dich nicht treffen. Ich weiß, dass Steeg das zu verantworten hat.“ Dann wendet er sich Böhm wieder zu. „Ich mein … das ist ja deine Sache, was du dem alles durchgehen lässt, aber der wird doch immer dreister!“
    Peter Böhm nickt. „Den knöpf ich mir schon noch vor! Aber jetzt erst mal … was habt ihr hier?“
    Er dreht sich um die eigene Achse und betrachtet den Raum.
    Löschwasser ist durch die Decke gesickert und an den weiß gekalkten Wänden hinuntergeflossen. Den Fußboden haben Lembachs Leute mit einer Plane abgedeckt. Darunter liegt ein durchnässter, taubenblauer Teppichboden, der bei jedem Schritt ein

Weitere Kostenlose Bücher