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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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blättert die vollgeschriebene Rechenseite um und starrt auf die neuen, leeren Kästchen.
    Diese trügerische Ordnung. Gleich würde er den Stift wieder ansetzen. Gleich würden seine Buchstaben die Struktur durchbrechen und zerstören. So, wie an jenem Abend seine Vorstellungen, sein kindliches Vertrauen in die Worte eines Fremden zerstört worden waren.
    Er erinnert sich an die Bar. Die Tür hatte einen Spion und er spürte, dass die Pause zwischen seinem Klingeln und dem Öffnen genutzt wurde, ihn zu mustern. Eine zierliche Asiatin in einem roten Kimono hatte geöffnet und ihn freundlich lächelnd hineingebeten.
    Ein kleiner Flur. Badende Frauen an einem See direkt auf die Wand gemalt. Eine Garderobe hinter einer japanischen Schiebetür. Ein gemauerter Bogen nach links. Gedämpfte, langsame Musik. Marmorstufen hinunter in einen großen, runden Raum. Eine Tanzfläche und eine Theke. Zur Rechten Sitzgruppen aus schwarzen Ledersofas und Sesseln. Dazwischen zurückgeschobene, schwere Vorhänge, die man mit einer einzigen Handbewegung ins Rund zieht, um so die Blicke der anderen Gäste auszusperren.
    Er weiß noch, dass er überrascht war.
    Fast alle Sitzgruppen waren besetzt. An der Theke standen mehrere Männer und Frauen, auf der Tanzfläche bewegten sich drei eng umschlungene Paare und auch in dem Bogen, in dem ich stand, plauderten Männer und Frauen angeregt miteinander
.
Alles wirkte wie in einer normalen Diskothek oder Tanzbar. Aber auf dem Parkplatz standen nur vier Autos
.
    Auch die Frauen haben mich überrascht. Es gab leicht bekleidete, so wie es meinen Vorstellungen entsprach, aber mindestens genauso viele waren so angezogen, wie man sie überall hätte antreffen können. In aufwendigen Roben, wie man sie zu einem Fest wählen würde, aber auch in engen Jeans mit Korsage oder Top, wie man sie im Sommer auf den Straßen sehen kann. Trotzdem war mir sofort klar, dass sie alle hier arbeiteten
.
    Ich sah Simone Remmers an der Bar. Sie trug ein schmales, schwarzes Kleid, das bis zum Knöchel reichte und an einer Seite bis zum Hüftknochen geschlitzt war. Sie sprach angeregt mit einem Mann
.
    Ich trat zurück in den Schatten des Mauerbogens. Er war groß, blonde Strähnen auf dunkelbraunen Haaren. Ich wusste sofort, dass er es war. Und dann sah ich den anderen
.
    Er erinnert sich an das Zittern in seinen Knien, als er das Lokal eilig verließ. Er erinnert sich, dass die Asiatin ihn gefragt hatte, ob alles in Ordnung sei. Er schreibt seinen Irrtum nieder.
    In der Bar sah ich Simone Remmers und ihren Begleiter. Aber nicht nur die. Ich sah auch Yildiz! Yildiz in ein Gespräch vertieft mit Simone Remmers und dem Mann, der wahrscheinlich etwas mit dem Verschwinden meiner Tochter zu tun hatte. Das änderte alles
.
    Zu Hause überlegte ich, wie es nun weitergehen könnte. Ich entschloss mich, Yildiz in Sicherheit zu wiegen
.
    In den folgenden Tagen hängte ich mich an den Bekannten von Simone Remmers. Er wohnte bei ihr und benutzte jetzt auch ihren Wagen. Er musste an dem Tag, an dem ich ihn das erste Mal gesehen hatte, angekommen sein
.
    Jeden Abend, oder besser, in den frühen Morgenstunden gingen sie gemeinsam in die Wohnung mit dem Wäscheständerbalkon
.
Er fuhr jeden Vormittag ins Kronenstübchen. Zwei bis drei Mal pro Woche in einen billigen Sexshop in Emmerich
.
    Nach drei Wochen Beobachtung folgte ich ihm in die kleine Kneipe. Er saß an der Theke und trank Cappuccino. Ich setzte mich ans andere Ende der Bar und bestellte Kaffee
.
    Es dauerte keine Viertelstunde, da waren wir im Gespräch. Fußball war das Thema und er stellte sich mir vor. Grefft, sagte er und ich sagte, Peschke! Wolfgang Peschke. Der Mädchen-name meiner Frau!

    29
    Er schiebt den Roller an Mutters Auto vorbei in die Garage. Aus dem Fach unter dem Sitz nimmt er die beige Stofftasche mit den Zeugnissen. Seinen Helm legt er oben auf das Werkzeugregal.
    Im Haus ruft er nach ihr.
    „In der Küche!“ Ihr Ton ist ungehalten.
    „Ich habe das Essen heute Mittag schon vorbereitet. Dauert nur ein paar Minuten. Hier!“ Er nimmt die Zeugnisse aus der Tasche und reicht sie ihr mit einem Lächeln.
    Sie sitzt am Küchentisch, breitet die Papiere vor sich aus und senkt den Kopf darüber. Er steht neben ihr. Er sieht durch ihr blondiertes, eigentlich farbloses, dünnes Haar auf ihre Kopfhaut, die rosig, wie durch ein feines Spinnennetz, hindurchschimmert.
    Abrupt hebt sie den Kopf.
    „Was soll das denn sein! Das sind doch keine Zeugnisse. Das sind doch

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