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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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auszutauschen. Aber jetzt braucht sie sich darüber auch nicht mehr aufzuregen. Vielleicht kann sie schon zum Ende des Sommers die Miete nicht mehr bezahlen.
    Während sie sich bückt, blickt sie an ihrer Leinenhose hinunter. Deswegen hatte sie heute Morgen wieder mal mit ihrem Sohn gestritten.
    Eine Falte hatte er hineingebügelt. In eine Leinenhose mit rund geschnittenen Beinen. Eine Bügelfalte, schnurgerade von den Oberschenkeln über die Knie bis zu den Füßen. Eine Bügelfalte von ihrem Hintern bis zu den Fersen.
    Immer machte er das. Jedes Mal streiten sie deswegen und er verspricht beim nächsten Mal daran zu denken. Und dann tut er es wieder.
    Sie schiebt die Ladentür auf und schaltet das Licht ein. Christa kommt gleich. Mal sehen, was die zu diesen Teilnahmebescheinigungen sagt.
    Sie macht das vielleicht alles falsch. Wenn es um Frank geht, kann sie die Dinge nicht sachlich betrachten. Vielleicht geht das ja allen Müttern so, wenn es um ihre eigenen Kinder geht. Da ist sie schon froh, dass es Christa gibt. Die ist neutral. Manchmal hat sie richtig Angst vor ihrem Sohn. Auch um ihn hat sie Angst, aber gestern Abend hat sie sich eingestehen müssen, dass sie auch vor ihm Angst hat. Lange hat sie nicht einschlafen können, selbst mit den Schlaftabletten nicht. Sie hat ihn oben gehört. Seine Schritte und manchmal auch seine Stimme. Das war ihr noch nie aufgefallen, dass er Selbstgespräche führt. Aber gestern Abend? Du musst die Cola zurück in den Kühlschrank stellen und dein Glas auswaschen, hatte er gesagt. Da hatte sie gedacht, der spinnt! Der ist nicht mehr ganz richtig im Kopf! Da hatte sie Angst vor ihm gehabt.
    Sie lässt die Krücke neben der Kasse stehen und geht nach hinten um die Kaffeemaschine zu befüllen. Sie hört die Türglocke und Christas fröhliches „Guten Morgen!“
    Mit einer Brötchentüte steht sie im Gang zwischen Laden und Lager.
    „Das ist doch kein normaler Sommer. Das ist eine Tortur. Kein Tag unter dreißig Grad und das nun schon seit vier Wochen.“ Sie schwenkt die Brötchentüte. „Croissants und …“, sie greift in ihre Handtasche und zieht ein kleines Glas hervor, „selbstgemachte Erdbeermarmelade von meiner Oma. Die köstlichste unter der Sonne!“
    Ursula lächelt dankbar. „Der Kaffee ist auch gleich fertig. Mit dem großen Kundenansturm wird wohl auch heute nicht zu rechnen sein. Ich schlage vor, wir schieben die Angebotsständer heraus und frühstücken dann in Ruhe.“
    Christa räumt eine Ecke des Lagertisches frei und sie setzen sich gegenüber. Ursula legt die Mappe mit den Zeugnissen auf den Tisch.
    „Sieh dir das mal an.“
    Christa studiert die Papiere einen Augenblick. Dann nickt sie. „Prima. Ich gebe sie heute Abend meinem Mann.“
    Ursula schüttelt den Kopf. „Ist das denn üblich? Ich meine, dass man da keine Noten bekommt, nur so eine Bescheinigung?“
    Christa verteilt andächtig Marmelade auf ihrem Croissant. „Ja, weiß ich nicht, aber ich kann es mir schon vorstellen.“
    Dann erst hört sie die Frage hinter der Frage.
    „Ach Uschi! Du meinst, er war nicht gut und hat deshalb nur eine Teilnahmebescheinigung bekommen?“
    Ursula nickt vorsichtig. Christa lacht.
    „Du weißt doch ganz genau wie Frank ist. Wenn der was macht, macht er das hundertprozentig.“
    „Es ist nur …! Es sind nur Kopien, verstehst du? Ich meine … er konnte die Originale nicht finden. Ich meine … er ist so pedantisch. Der verliert doch seine Zeugnisse nicht!“
    Christa kaut nachdenklich vor sich hin. Dann nimmt sie die Papiere auf und sieht sie noch einmal genau an.
    Auf einem Blatt entdeckt sie eine feine graue Linie. Eine Linie, die entsteht, wenn man zwei Blätter versetzt unter den Kopierer legt. Auf dem Papier wird ihm, Frank Zech, die Teilnahme an einem Excelkurs bescheinigt. Das zweite Blatt bescheinigt ihm einen Kursus in KHK, einem Warenwirtschaftssystem. Der dritte Schein bestätigt seine Teilnahme an einem Wordkurs. Der dritte Schein entkräftet Ursulas Verdacht, Frank sei ein schlechter Schüler gewesen. Der dritte Schein beweist, dass die Dokumente Fälschungen sind. Unten, auf der Unterschriftszeile ist er unachtsam gewesen. Bei den anderen Scheinen hat er Ort und Datum geändert. Aber hier hat er es vergessen. Oben der Briefkopf der Volkshochschule Kleve und unten steht: Hildesheim, den 20.12.1998.
    Christa schiebt den Teller mit dem Brötchen zur Seite und sieht Ursula an. Dann schluckt sie. „Ich nehme die jedenfalls erst mal mit. Mein

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