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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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Erkenntnisanfrage ist gestellt worden. Alles ohne Ergebnis.“
    Sie greift zu der dritten Akte, öffnet sie und schiebt sie Böhm zu. Auf der ersten Seite ist das Foto eines Mädchens zu sehen. Joop, Steller und Böhm sehen sich an und nicken. Sie sind sich alle drei sicher, dass dies das Mädchen aus den Fotodateien ist.
    Sabine Ecks dreht den Ordner wieder zu sich.
    „Saida Demir. Am 11. Juli 2002 ist sie zwölf Jahre alt. Sie verschwindet aus einem Supermarkt. Die Mutter kauft Lebensmittel ein, während sich Saida in der DVD Abtei-lung aufhält. Es gibt Zeugen, unter anderem eine Kassiererin und den Warenhausdetektiv, die sie zusammen mit einer Frau haben weggehen sehen. Die Beschreibungen der Frau fallen allerdings sehr unterschiedlich aus und sind nahezu unbrauchbar. Auch hier die übliche Vorgehensweise. Auch hier alles ohne Ergebnis!“
    Böhm fällt auf, dass es nicht die tiefe Stimme ist, die ihn einfängt. Es ist die Monotonie, mit der sie die Fakten aufzählt. Keinen Augenblick lässt Sabine Ecks eine Gefühlsregung erkennen. Sie könnte auch über gestohlene Autos sprechen. Diese professionelle Sachlichkeit fasziniert ihn. Diese professionelle Sachlichkeit stößt ihn ab.
    Joop schüttelt den Kopf.
    „Maar … das verstehe ich nicht. Das BKA geht schon die ganze Zeit davon aus, dass die Fälle zusammenhängen?“
    Sabine Ecks nickt.
    „Ja! Aber anders! Und dies sind nur drei von insgesamt zwölf Fällen, bei denen wir einen Zusammenhang vermutet haben.“ Auch das sagt sie mit einer Ruhe, die Böhm für einen Augenblick den Atem nimmt.
    Sie schiebt mit der linken Hand ihren schnurgeraden Pony hoch. „Lassen sie mich vorne anfangen.“ Sie lehnt sich in ihren Stuhl zurück und schlägt die Beine, die in einer engen Jeanshose stecken, übereinander.
    „Seit gut sieben Jahren haben wir es im ganzen Bundesgebiet mit verschwundenen Kindern aus geschiedenen, binationalen Ehen zu tun, deren Väter oder Mütter im Ausland leben. Die Fälle liegen alle gleich. Die Kinder, Jungen und Mädchen, Geschwisterkinder oft gemeinsam, verschwinden unauffindbar. In der Vergangenheit war es in aller Regel so, dass man dieser ‚Entziehung Minderjähriger‘, wie es rich-tig heißt, fast immer eine Einreise des geschiedenen Partners oder eines Verwandten zuordnen konnten. Das heißt, wir konnten mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass die Kinder von dem Vater oder der Mutter in das jeweilige Heimatland gebracht worden sind. In den letzten sieben Jahren aber, haben wir es regelmäßig mit der Entfüh-rung solcher Kinder zu tun, ohne diese Einreisehinweise. Wir wissen inzwischen, dass es eine Organisation gibt, die gegen Bezahlung Aufträge der im Ausland lebenden Elternteile übernimmt und die Kinder entführt. Von einigen Kindern wissen wir, dass sie beim Vater oder der Mutter sind. Bei anderen können wir es nur vermuten. Gerade in Staaten, die weder das Haager noch das Europäische Übereinkommen unterzeichnet haben, gibt es so gut wie keine Zusammenarbeit. In islamischen Staaten ist es nicht mal gegen das Gesetz. Ganz im Gegenteil. Dort kann eine Mutter, wenn das Kind über drei Jahre alt ist, das Sorgerecht nicht bekommen. Es gehört immer automatisch dem Vater. Und darum verstößt er in seinem Heimatland gegen kein Gesetz, wenn er sein Kind zu sich holt.“
    Joop kratzt sich mit dem Ende seines Kugelschreibers über dem linken Ohr. „Sie haben in Ihrer Liste nicht zufällig noch ein Mädchen, das im Sommer 2001 verschwunden ist?“
    Sie starrt auf das graue Furnier der Tischplatte und schüttelt den Kopf. Zum ersten Mal kann Böhm eine Regung in ihrem Gesicht erkennen. Sie wirkt resigniert.
    „Ich habe alle anderen Kinder überprüft. Sie passen nicht in das hier vorgegebene Muster. 2001 gab es zwei Entführungen. Ein vierjähriger Junge. Hier liegen uns gesicherte Erkenntnisse vor, dass er sich bei der Mutter in der Türkei aufhält. Und zwei Geschwister. Ein Mädchen, sechs Jahre alt und ein Junge, acht Jahre. In diesem Fall haben wir keine eindeutigen Hinweise, aber sie passen nicht ins Muster. Ich glaube nicht an einen Zusammen-hang.“
    Sie beugt sich vor. „Wie ist dieser Mann an all die Informationen gekommen? Die Familien hatten geschützte Adressen und Geheimnummern.“
    Böhm erinnert sich an das Gespräch mit Brigitte an dem Abend, als sie die Leiche von Horstmann gefunden hatten. Sie hatte gesagt: Der Horstmann, der hat oft ganz unbürokratisch geholfen.
    „Die Stiftung!“ Böhm springt auf.

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